Einleitung
Ich habe von September 2012 bis Januar 2013 einen Auslandsaufenthalt an der Universite de
Montréal verbracht. Neben einem guten Ruf der entsprechenden Fakultät meines Studiengangs
waren andere wichtige Gründe für mich um nach Montréal zu gehen die Erweiterung
meines Horizonts, die Verbesserung meiner französischen Sprachkenntnisse und das Kennenlernen
der kanadischen Mentalität. Vor allem die Mischung aus französischem Sprachkontext
in einem englischsprachigen, nordamerikanischen Land und die Konflikte und Möglichkeiten
zu sehen reizten mich sehr. Außerdem bot mir ein Kanadaaufenthalt die Möglichkeit zu einer
Vertiefung dieses Feldes in Form einer Masterarbeit.
Im Folgenden werde ich von meinen Erfahrungen berichten, die ich vor, während und
nach meinem Aufenthalt gemacht habe. Ein Schwerpunkt soll dabei auf die universitäre
sowie freizeitliche Gestaltung des Alltags gelegt werden, um zukünftigen Montréalstudenten
einen Einblick in diesen sowie Möglichkeiten zur Vorbereitung gegeben werden.
Vorbereitung meines Aufenthaltes
Ich habe zur Vorbereitung auf meinen Aufenthalt in Kanada mit den klassischen Dingen
begonnen: Einholen von Informationen über den Zielort, die lokale Kultur und etwaige Unterschiede
zu der unseren. Vor allem aber das Besuchen der entsprechenden Seminare des
International Office geben einem wichtige Eckpunkt zur Vorbereitung, unter anderem auch
Listen an Dingen, die auf keinen Fall vergessen werden sollten. Die meisten der dort aufgelisteten
Sachen spielen irgendwann während des Aufenthalts eine Rolle. Diese Tatsache habe
ich im Falle der Ausstellung einer Vollmacht für meine Eltern nicht beachtet, eine Sache, die
ich beinahe stark bereut hätte. Es lohnt sich also, auf Nummer Sicher zu gehen und lieber
mehr einzupacken als zu wenig.
Zu einer Vorbereitung gehört auch das Planen von Kursen und das eventuelle Umstellen
des Studienverlaufplans. Das Angebot an der UdeM ist groß, und so hatte ich eigentlich keine
Probleme, meinem Studiengang entsprechende Kurse zu finden. Auch die Rücksprache mit
den Professoren vor dem Aufenthalt gestaltete sich mehr oder weniger zwanglos: entweder
die Professoren unterschrieben mir sofort, dass der Kurs auf Grund einer von mir vorgelegten
knappen Inhaltsangabe dem deutschen Kurs entspricht (was zumindest bei mir größtenteils
der Fall war), oder die Professoren machen eine Anerkennung von der erbrachten Leistung
im Kurs abhängig, worauf dann während des Aufenthalts geachtet werden muss. Theoretisch
hatte ich aber vor dem Aufenthalt keine Verzögerung bzw. Verlängerung meiner Studienzeit
vor Augen.
Die Ankunft selber habe ich auf zwei Wochen vor Beginn der Vorlesungen datiert. Dies
war im Nachhinein ein gut gewählter Zeitraum: ausreichend Zeit, um sich an den dortigen
Lebensstil zu gewöhnen und den Jetlag zu verarbeiten, aber auch nicht zu viel Zeit um
sich zu langweilen und das eigentliche Ziel des Aufenthalts aus den Augen zu verlieren, das
Studium. Die Grenze zu passieren ist bei einem Aufenthalt unter sechs Monaten mit einem
einfachen Reisepass möglich, bei längerem Aufenthalt ist ein Touristenvisum erforderlich.
Der Aufenthalt in Montréal
An der Universität
Einmal in Montréal und an der Universität angekommen ging die Einschreibungsphase eigentlich
recht flott und angenehm. An meiner Fakultät gab es eine beauftragte Professorin
für ausländische Studierende, die mich an das Sekretariat verwies, wo ich ohne große Probleme
meine Einschreibung in die von mir vorher herausgesuchten Kurse vornehmen konnte.
Einzig die Ausstellung der Studierendenkarte, die einem großflächigen Zugang zu allerlei
Vergünstigungen, aber auch z.B. kostenlosen Eintritt zum großen Sportzentrum CEPSUM
gewährt, war etwas schwieriger, was vor allem dem großen Andrang in den ersten Wochen
auf die verantwortlichen Stellen geschuldet ist.
In den Kursen selber bemerkt man sehr schnell die Unterschiede zu deutschen universitären
Gepflogenheiten. Die Kurse dauern normalerweise 3 Stunden, aufgeteilt in 1,5 Stunden Cours
magistral, in denen vor allem der Professor vorliest und die Studenten mitschreiben, und 1,5
Stunden interaktiver Zeit, in denen Gruppenarbeiten, Diskussionen oder Projektarbeit im
Vordergrund stehen. Ich empfand die 3 Stunden Kurs am Anfang als sehr anstrengend, weil
ich die lange Konzentration nicht gewöhnt war. Zum Ende hin ging es besser, aber 3 Stunden
bleiben eine lange Zeit, besonders wenn sie in québecischem Französisch gehalten werden.
Das Québécois unterscheidet sich dann nämlich doch erheblich in der Praxis vom Français
de France, sowohl in Aussprache als auch im Umgang mit Anglizismen. Es hat einige Wochen
gedauert, bis ich halbwegs sicher mit Québecern kommunizieren konnte, dies hing aber
auch stark von deren Herkunft ab. Mit Québecern vom Land, deren Dialekt zum Teil sehr
stark ausgeprägt war, blieb es bis zum Schluss problematisch, denn ich musste häufig nachfragen.
Obwohl ich die Worte kannte die sie sagten, verstand ich sie nicht, was auf Dauer
auch frustrierend wirken kann. Auf der anderen Seite war das Erleben des Québécois und das
Ausprobieren dieses Dialekts eine der stärksten Erfahrungen während meines Aufenthalts.
Egal ob man das Québécois bereits aus Filmen oder Radiosendungen kennt, es wirkt immer
noch authentischer, wenn man längere Zeit vor Ort ist bzw. sogar Kurse in diesem Dialekt
hat, denn man wird förmlich gezwungen sich mit der neuen Aussprache und der Mentalität,
die sich dahinter verbirgt, auseinanderzusetzen. Dies kann am Anfang sehr ungewohnt
und anstrengend, nach einer gewissen Einarbeitungs- und Verständniszeit aber auch sehr
befriedigend wirken.
Während meiner Zeit in den Kursen ist mir vor allem die große Akzeptanz ausländischer
Studenten aufgefallen. Es wurde fast überall auf unser theoretisches Sprachdefizit Rücksicht
genommen, sowohl im Unterrichtsgeschehen sowie in Referaten und Prüfungen. Manchmal
hatte ich sogar das Gefühl, dass die doch relativ harten Rechtschreib- und Sorgfaltsregeln für
uns teilweise ein wenig aufgeweicht wurden und wir leichter an die entsprechenden Punkte in
den Examen kamen. Mir ist zumindest nie ein Nachteil aus meiner deutschen Muttersprache
erwachsen, was ich für ein großes Plus und für sehr fair halte.
Im Alltag
Ich habe während meiner Zeit in Montréal in den Résidences universitaires gewohnt. Diese
bestehen aus 9m2-Räumen und haben keine Küche, für die man umständlich das Gebäude
wechseln muss. Der Preis ist mit umgerechnet 280 Euro in Ordnung, aber auch nicht
spottbillig. Letztendlich war die Unterbringung für ein halbes Jahr in Ordnung, bliebe ich
aber länger, würde ich schon in eine Wohngemeinschaft ziehen, deren Angebote in Montréal
recht vielfältig sind. Die Atmosphäre wirkt in den Résidences relativ anonym und es
bieten sich nicht so viele Gelegenheiten, andere Studenten kennenzulernen. Hierfür war vor
allem das universitäre Umfeld und die vielen Zusatzangebote zuständig, zum Teil exklusiv
für ausländische Studenten.
Der Kontakt zu den quebecischen Studenten war sehr gut. Viele brachten mir viel Respekt
entgegen für meinen Kanadaaufenthalt und das Erlernen der französischen Sprache, ganz
anders als ich es beispielsweise in Frankreich wahrgenommen habe. Um die Studenten aber
genauer kennenzulernen muss man letztendlich offen und interessant wirken, und da habe
ich meine Herkunft und Sprache als mein größtes Kapital erfahren. Viele freuen sich, ihre
kleinen Brocken Deutsch herausholen zu können, und bei meiner Sprachpartnerin, die ich
über das Tandemprogramm der Universität (Deutsch-Französisch) kennenlernte, habe ich
sogar Weihnachten verbracht, was mir einen unvergesslichen Einblick in die quebecische
Kultur und Familie gab. Es kommt meiner Meinung nach auf das persönliche Engagement
an, von dem zum Großteil der Erfolg des Aufenthalts abseits der Universität abhängt. Dies
kann auf Dauer anstrengend sein, dürfte sich aber in den meisten Fällen doppelt und dreifach
wieder auszahlen.
Ansonsten bleiben noch die hohen Lebenserhaltungskosten in Kanada zu erwähnen. Die
Lebensmittelpreise sind verglichen mit deutschen Verhältnissen sehr hoch, so dass es sich
manchmal sogar mehr lohnen würde, einfach in einem Restaurant essen zu gehen (obwohl
auch dies sehr teuer ist). Ich habe auch das Gefühl bekommen, dass Geld in Nordamerika
ein sehr viel größere Rolle spielt als hier: fast alle alltäglichen Dinge des Lebens kosten in
Kanada Geld, an der Universität zahlt man sogar Geld für das Abwählen eines Kurses oder
das Ausstellen eines Dokuments. Business scheint sehr viel wichtiger zu sein, oder es ist
einfach offensichtlicher als in Deutschland. Zumindest bietet sich ein Stipendium und/oder
ein größeres finanzielles Polster für den Aufenthalt in Kanada an.
Persönliches Fazit
Mein Fazit wäre nach 6 Wochen sicherlich noch nicht so positiv ausgefallen wie es das jetzt
tut. Das Knüpfen von Beziehungen und das Machen von Freunden dauert eine gewisse Zeit,
das Ankommen in der quebecischen (und damit nordamerikanischen) Kultur, seiner Sprache
und Mentalität sowieso. Das Leben dort erweitert aber ungemein den Horizont und es wird
ausländischen Studierenden noch nicht einmal schwer gemacht, sich gut zu integrieren. Mein
Aufenthalt war also im Nachhinein ein voller Erfolg und meine Erwartungen vollkommen
erfüllt. Sowohl universitär als auch sozial ist Kanada ein sehr offenes und ein sich für andere
begeisterndes Land, weshalb es sich ideal als Standort für einen Auslandsaufenthalt eignet
und empfiehlt. Ich halte es aber für unverzichtbar, seinerseits auch ein großflächiges Interesse
an den Lebensgewohnheiten der Montréaler zu entwickeln, um wirklich von dem Aufenthalt
in Québec zu profitieren. Dann aber kann diese Zeit ganz magisch und unvergesslich werden.
Interessante Links
-
für Wohngemeinschaftsangebote
-
http://www.craigslist.ca/
- Webseite der Studentenvereinigung, die jede Woche
-
http://www.ahc.umontreal.ca/
- für hunderte Sportkurse, die zum großen Teil
für ausländische Studenten umsonst sind
-
http://www.cepsum.umontreal.ca/