Abstracts

Bildmythos und Erinnerung. Zur Rolle orientalistischer Gemälde im zeitgenössischen Diskurs

Verena Paulus

Kunst- und Kulturwissenschaften an der Universität Bremen, Politik und Organisation an der Fernuniversität Hagen

Das 19. Jahrhundert zelebrierte den Orient malerisch in einer bis dato unbekannten Weise – Harem, Hamam und Sklavenmärkte wurden zu einem Déjà-vu im Kunstschaffen und -wollen westlicher Maler. Seit Edward Said ist der orientalistische Diskurs, insbesondere die von ihm untersuchte orientalistische Literatur als Wegbereiter einer Ausdehnung der Vormachtstellung des Westens, desavouiert. Gerade die Bildmythen des Orientsujets transportieren oftmals Bedeutungen im Diskurs, deren Wirkung sich auch in der Unmöglichkeit ihrer Dechiffrierung entfaltet. Der asymmetrische Blick auf den Anderen und seine bildliche Repräsentation zeitigten Stereotype, die in ein umfangreiches Bemächtigungs-Agens eingebettet waren. Die Kunstgeschichte hat den Komplex des Orientalismus zwar kanonisiert, dennoch changiert der zeitgenössische Bilddiskurs zwischen Dekonstruktion und Erinnerung. Private Sammlungen orientalistischer Kunst wie die Najd Collection treten als Bestandteil eines vielschichtigen und problematischen Erinnerungsgestus auf. Anhand der in der Ausstellung 1001 Nacht gezeigten Gemälde soll die Konstruktion von Zeit, Raum und Geschlechtermythen illustriert werden. Welche Möglichkeiten gibt es, die Sammlung und ihre Bilder diskursiv zu verorten?

Die arabische Welt auf westlichen Plakaten am Beispiel der Darstellung von Kindern

Rima Chahine

Visuelle Kommunikation Universität Damaskus, Kunstgeschichte Universität Oldenburg

Wo liegt der Orient? Gibt es den Orient und den Okzident überhaupt, oder handelt es sich um Konzepte von Europäern, die letztlich dazu dienen, ihre Superiorität über den „Anderen“ festzuschreiben? Das sind zentrale Fragen, mit denen sich Untersuchungen zum Thema „Orient“ auseinandersetzen müssen. Ich beschäftige mich in meiner Forschungsarbeit mit der Darstellung der arabischen Welt auf westlichen Plakaten aus der Kolonialzeit. In meinem Vortrag möchte ich am Beispiel der Darstellung des Kindes zeigen, welche Sichtweisen der arabischen Welt sich auf westlichen Plakaten widerspiegeln.

Orientalismus und Gender: Reisetexte von Frauen des 19. Jahrhunderts

Natascha Ueckmann

Romanistik, Institut für Postkoloniale und Transkulturelle Studien, Universität Bremen

Den Spuren reisender Frauen zu folgen ist ein spannendes Abenteuer in Richtung Vergangenheit. Es ist eine Entdeckungsreise durch bislang verstaubte Bibliotheksbestände, durch Kataloge, Register, Datenbanken und Antiquariate; sie fordert Geduld, Aufwand, Zeit und meistens auch Geld und Mobilität. Anhand eigener Forschungsarbeiten konnte die Referentin mehr als 200 Texte von rund 80 Schriftstellerinnen zusammentragen, die während des 19. und 20. Jahrhunderts ihre als abenteuerlich empfundenen Orienterlebnisse in Reiseberichten, Autobiografien, Tagebüchern, Romanen oder Briefen festegehalten haben.

Exemplarisch werden verschiedene markante ‘Reisefrauen’ vorgestellt; mitreisende, alleinreisende und/oder als Männer verkleidete Frauen. Konkret: Suzanne Voilquin, eine Missionarin bzw. Anhängerin einer frühsozialistischen Bewegung, die um 1830 in Ägypten tätig war, Jane Dieulafoy, eine Archäologin, die als Mann verkleidet zusammen mit ihrem Mann um 1880 im Auftrag der französischen Regierung Persien bereiste und Isabelle Eberhardt, eine Globetrotterin, die ganz zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Algerien lebte. Statt die Texte vornehmlich unter Leitbegriffen wie Emanzipation und Befreiung zu lesen, plädiert die Referentin für einen differenzierten Umgang mit dem Thema ‚reisende Frauen’. Jenseits von Aufbruch und Ausbruch, von Selbst- und Fremderfahrungen geht es immer auch um Rassismus, Standesbewusstsein, Klassenhierarchie und die damit zusammenhängenden Privilegien und um weibliche Mittäterschaft am europäischen Kolonialismus.

Women’s Orient(s): Western Women Travellers and Scherazade’s Daughters...?

Beril Saydun

Humanities, Jacobs University Bremen

This paper will dwell on the role and the status of representations of the Orient and its women by Western women travellers in the formation of Orientalist imagery. The Orient came to stand as the opposite to the (and the imaginary) realm of the West. Orientalism was a citational discourse, the authority of which rested on the circulation and repetition of Western knowledge(s) about the Orient. And, travel writings by women, was a very popular literary genre in the nineteenth century with harem literature (see women’s publications). These writings supplied the information ‘available only to a lady’. (i.e: Eighteenth-Century Harem (1717-89): Lady Montagu’s Letters was one of the early examples). Thus, Western women travellers provided the knowledge of interior space of the Orient and its women fulfilling an important function for their male counterparts in the West. Consequently, their representations of the Orient never stood alone.

The extent to which Western women’s writings were augmenting or challenging the exiting Orientalist knowledges is a matter of debate. To enrich this debate, some extracts from Julia Pardoe (1837) The City of the Sultans; and the Domestic Manners of the Turks in 1836, Emmeline Lott (1865) Harem Life in Egypt and Constantinople, Annie Jane Jarvey (1871) Turkish Harems and Circassian Home, Demetra Vaka Brown (1909) Haremlik: Some Pages from the Life of Turkish Women, Grace Ellison (1915) An Englishwoman in a Turkish Harem will be used. Following the same line, a further question will be asked if Feminism and Orientalism are different modalities. Moreover, the complexity between Orientalism’s imperialist operations and a certain type of ‘feminist’ gesture will be criticized by drawing parallels to the argumentation of some contemporary critics such as Lowe 1991, Lewis 1996,Yeğenoğlu 1998, B.Melman, Leila J. Rupp etc.

Eine Italienerin in Algier? – Von Maria zu Jessica – eine Entführung in die Welt der weißen Sklavin

Detlev Quintern

Kulturwissenschaften, Institut für Postkoloniale und Transkulturelle Studien, Universität Bremen

Orientalisten, darunter Gérôme, Fabbi oder Rosati positionierten die weiße Sklavin in den Focus der Betrachter ihrer Gemälde. Die malerische Inszenierung entlehnte ihre weibliche Figur der Literatur- und Theatersprache, die uns bereits in dem 1581 uraufgeführten Bühnenstück „Sklave in Algier“ bei Cervantes, später in Gestalt von Mozarts Konstanze (1782) oder Rossinis Isabella (1813) begegnet. Autobiografische Erzählungen von fiktiven weißen Sklavinnen im Maghreb des ausgehenden 18. und während des 19. Jahrhunderts erfreuten sich großer Beliebtheit in den USA.

Der Orientalismus erschafft sich seine weißen Heldinnen bis in die Gegenwart hinein, zuletzt in Gestalt der US-Soldatin Jessica Lynch, welche zur „Mona Lisa of Operation Iraqi Freedom“ in dem Hollywoodstreifen „Saving Private Lynch“ fiktionalisiert wurde. Der Beitrag folgt der Rolle, welche die weiße Sklavin durch die Geschichte hindurch auf der Bühne des Orientalismus zu spielen hat.

The Making of Islam: Über das Kuratieren islamischer Kunst und Kulturgeschichte in Ägypten

Susan Kamel

Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin

Ausstellungen über islamische Kunst und Kultur im „Westen“ sind en vogue. Der Vortrag schreibt meine Kritik an der europäischen Praxis der musealen Vermittlung islamischer Kunst und Kultur fort, indem er einen Perspektivenwechsel auf die Ausstellungspraxis der nunmehr „eigenen“ Kunst und Kultur in einem islamisch geprägten Land vornimmt. Vorgestellt werden soll eine erste Auswertung meiner Forschung in Ägypten, die im Rahmen des Forschungsprojekts „Vom Imperialmuseum zum Kommunikationszentrum? Zur neuen Rolle des Museums als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und nicht-westlichen Gesellschaften“ stattfindet. Bezeichnungen wie „islamisch“, „koptisch“, „ägyptisch“ oder „nubisch“ erlangen im ägyptischen Kontext ihre je eigene Überzeugungskraft und spiegeln die dortige „Krise der Repräsentation“ wieder. Schließlich sollen Versuche der Vermittlung „eigener“ Kulturen in Ägypten als Community-Museen, Sozialprojekte und Artist Run Spaces vorgestellt werden.

A fascinating Orient: Beyond the Museum Glass Case in Lebanon and France

Lina G. Tahan

University of Cambridge, Department of Archaeology Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales (EHESS), Paris Centre d'Histoire Sociale de l'Islam Méditerranéen (CHSIM)

The objective of this talk is to propose a theoretical model to the study of the history of Lebanese Archaeological Museums. It will present a definition of what orientalism is according to Edward's Said theory. Moreover, it will set the background for an investigation of how Lebanese museums are still influenced by colonial ideas in terms of the display of artefacts. In that part, I shall expose an example of the relationship of coloniser versus colonised within the archaeological museums by taking the example of the Louvre Museum in France and how it exhibits the Lebanese archaeological heritage. As the Lebanon was under the authority of the French from 1917 till 1943, the development of archaeological research and organisation of museums was incorporated within the country. We will also explore in this paper the history of the collectors who travelled to Lebanon and were fascinated by what they called Ancient Phoenicia.