Textsorten

Textsorten [text types]. Klassen von Texten; Mengen von Texten mit bestimmten Eigenschaften, Texttypen. Jeder gegebene Text (Textvorkommen) sollte einer Textsorte zugeordnet werden können. Als Erscheinungsformen von Texten ergeben sich intuitiv

Argumentation, Brief, Diskussion, familiäres Gespräch, Gebrauchsanweisung, Gerätebeschreibung, Interview, Predigt, Reklame, Rezept, Rundfunknachricht, Stellenausschreibung, Stellungnahme, Telegramm, Telefongespräch, Vorlesung, Wetterbericht, Zeitungsnachricht.

Vortheoretisch wären Einteilungen in Texte als fiktionale, ästhetische, literarische, narrative, expositorische oder gebrauchssprachliche, juristische, protokollarische, wissenschaftliche, religiöse u.a. Dabei gehen, wie Gülich/Raible (1972, S. 2) feststellen, schon in den praxisbezogenen und vortheoretischen Begriff der Textsorte unterschiedliche Vorverständnisse ein, wenn dieser z.B. sehr eng, sehr weit oder bewußt vage formuliert wird (z. B. »narrative Struktur«).

Bei der Differenzierung von Textsorte wird nach textinternen bzw. textinhärenten oder nach textexternen Kriterien vorgegangen, oder es wird versucht, textinterne und textexterne Merkmale einander zuzuordnen. So möchten z.B. Rieser und Petöfi durch Kombination textgrammatischer Kriterien zu Textsorte gelangen, und H. Weinrich weist syntaktisch-semantische Merkmale aus seiner Konzeption der Textpartitur als textsortenrelevant nach. S. J. Schmidt dagegen lehnt textinterne Kriterien ab und geht von typischen Sprachhandlungssorten aus. Nach Dressler (1972) kann nur eine Textpragmatik, die soziologische und kulturhistorische Fakten einbezieht, die Grundlage für eine Typologie der Texte liefern.

Gülich/Raible (1975) wollen Textsorte als Einheiten des Systems mit inhärenten Merkmalen charakterisieren, Textvorkommen als Realisierungen von Textsorte dagegen mit textinternen und textexternen Merkmalen. Die textinternen Merkmale können durch das Sprachsystem spezifiziert werden, die textexternen durch die Faktoren Sprecher/Hörer, Intention, Sachverhalt, Situation, Monolog/Dialog.

Allgemein zeichnet sich die Tendenz ab, die Textsortedifferenzierung pragmatisch zu fundieren (Situationstypologie, Typologie von kommunikativen Absichten/Illokutionen): Bestimmte Absichten sollen unter bestimmten situativen Bedingungen durch zu spezifizierende Textsorte realisiert werden können. Beim Konzept des Redekonstellationstyps von H. Steger u. a. (1974) wird angenommen, daß sich aufdessen Grundlage unterschiedliche Textsorte ausgrenzen lassen, z.B. die Textsorte Vortrag, Bericht, Erzählung, Interview usw. Textsorte-klassifikationen in aufsteigender Linie droht letztendlich die Gefahr diffuser Komplexität; Klassifikationen in absteigender Linie können sich in immer kleineren Unterteilungen verirren. Eine praxisangemessene Textsorteeinteilung könnte aber von großem Nutzen für Textproduzenten und Textrezipienten sein, da Sorten und Typen (Gattungen usw.) erwartbare Hilfen zur Reduktion von Komplexität darstellen. Sie wirken (vor)strukturierend und bilden mit ihrer Normativität Orientierungen für Sprecher/Schreiber und Hörer/Leser.

Vgl. ->Texttypologie, Redekonstellation, Redearten.

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