Abstracts

Les idéologies linguistiques en France et ses conséquences pour la vitalité de l’occitan

Jakobs, Ramona (Ruhr-Universität Bochum, Romanisches Seminar)

Im Vortrag soll am Beispiel des Okzitanischen gezeigt werden, dass aufgrund der französischen Sprach- und Staatsgeschichte, die Existenz mehrsprachiger Regionen im heutigen Frankreich immer noch ignoriert wird und somit die französische Sprachideologie die territorialen Regional- und Minderheitensprachen gefährdet. Bereits mit der Ordonnance von Villers-Cotterêts (1539), die den ausschließlichen Gebrauch des Französischen für offizielle Dokumente vorschreibt, werden die Verwendungsmöglichkeiten des Okzitanischen auf den mündlichen Bereich eingeschränkt. Seitdem fungiert ausschließlich das Französische als high variety, während das Okzitanische, das zuvor durchaus verschriftet wurde, zur low variety degradiert wird.

Die Ignorierung der sprachlichen Minderheiten und die damit einhergehende Degradierung und Stigmatisierung führt – im Zuge der Französischen Revolution – zu einem weiteren Funktionsverlust der langue d’oc, die nun auch im mündlichen Bereich eingeschränkt wird: „[Z]war spielt sich gesellschaftliche Dominanz in Bezug auf zwei Sprachen in der langue ab, für den einzelnen Sprecher wird sie jedoch auf der Ebene der parole […] erfahrbar“ (Kremnitz 2015: 40; Herv. i.O.). Die Stigmatisierung und die Reduzierung der Verwendungsmöglichkeiten des Okzitanischen auf den rein privaten Bereich, wirken sich negativ auf das Sprachbewusstsein der Sprecher aus, die schließlich die Weitergabe ihrer Muttersprache ablehnen (= primary language shift (Sasse 1992: 13)). Das Okzitanische wird somit nicht mehr als Erstsprache erworben und sein Erhalt hängt nun mehr von den sekundären Sprechern ab, die „die Verluste nur teilweise ausgleichen [können]“ (Kremnitz 2015: 58).

Für die Ermittlung der Vitalität bzw. des Verfalls einer dominierten Sprache gilt es einen sprachinternen und einen -externen Ansatz zu unterscheiden. Ersterer betrifft das Sprachsystem und untersucht „die Prozesse der kontaktbedingten Sprachverschiebung und des damit verbundenen Sprachverfalls“ wie bspw. „Reduktionen des Formenbestandes oder des Wortschatzes“ (Rindler-Schjerve 1989: 2). Letzterer konzentriert sich auf „außersprachliche Faktoren wie wirtschaftliche, politische, soziologische, kulturelle etc. Gesichtspunkte, die Einfluß auf den Sprachgebrauch einer Gemeinschaft haben“ (Pfaff 2011: 283). Um die Vitalität des Okzitanischen zu „verbessern“ müssen beide Faktoren berücksichtigt werden, wobei hierfür zunächst „ein radikaler Wechsel der französischen Sprachpolitik sowie eine breite Förderung der Minderheitensprachen notwendig“ ist (Neumann 2009: 35).

Im Vortrag soll die Korrelation der französischen Sprachideologie und die damit verbundene Sprachpolitik auf den Erhalt und die Vitalität des Okzitanischen dargestellt werden. Um diese Wechselbeziehung zu erfassen wird ein historischer Ansatz gewählt, der die (sprach-) politische Entwicklung Frankreichs skizziert. Dabei wird auch hinterfragt inwieweit Vitalität überhaupt erfasst werden kann. Des Weiteren wird ein Ausblick auf die Vitalität des Okzitanischen auf spanischem Territorium, ebenfalls vor dem Hintergrund der spanischen Sprachideologie, gewagt. Anhand eines Vergleichs beider Sprachideologien sollen die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Vitalität des Okzitanischen herausgearbeitet werden.

Auswahlbibliographie

Kremnitz, Georg (2015): Frankreichs Sprachen, Berlin u.a.: de Gruyter (= Romanistische Arbeitshefte 60).

Neumann, Andreas (2009): Sprachensterben in Europa. Rechtliche Maßnahmen zur Erhaltung von Minderheitensprachen, Wien: Braumüller (= Ethnos 69).

Pfaff, Isolde (2011): „Grico – eine (bedrohte) Sprache mit Migrationshintergrund“, in Stehl, Thomas (Hrsg.): Sprachen in mobilisierten Kulturen: Aspekte der Migrationslinguistik, Potsdam: Universitätsverlag, 277-294.

Rindler-Schjerve, Rosita (1989): „Sprachverschiebung und Sprachtod: Funktionelle und strukturelle Aspekte“, in: Beck, Heinrich/Jahnkuhn, Herbert/Wenskus, Reinhard (Hrsg.): Germanische Rest- und Trümmersprachen, Berlin/New York: de Gruyter, 1-14.

Sasse, Hans-Jürgen (1992): „Theory of language death“, in: Brenzinger, Matthias (Hrsg.): Language Death. Factual and Theoretical Explorations with Special Reference to East Africa, Berlin/New York: de Gruyter, 7-30.