Abstracts

Prof. Dr.  Ricarda Bauschke (Freiburg)"stingender hunt, bosiz as". Die Redeszenen in Herborts 'Liet von Troye' und Wolframs 'Willehalm' im Spannungsfeld von Vortragstransformation und Kriegsmodellierung.

Eine Gegenüberstellung mhd. Erzählwerke (Veldeke, Hartmann, Wolfram, Gottfried) mit deren romanischen Vorlagen kann zeigen, dass gerade in den Redeszenen die deutschen Bearbeiter erhebliche Variationen vornehmen. Tendenziell ergibt sich folgendes Bild: Die in den afrz. Quellen gestalteten Dialoge scheinen historische Wortwechsel mimetisch abzubilden, wogegen in den mhd. Aneignungswerken der Eindruck des erzählenden, durch eine Instanz vermittelten Berichtes vorrangig bleibt. Indem das Reden der textinternen Figuren andersartig aufbereitet wird, erfährt die Erzählerfigur als Medium der Erzählinformation eine starke Hervorhebung. In einem allgemeiner dimensionierten Vorspann sollen diese Beobachtungen exemplarisch nachvollziehbar gemacht und terminologisch gefasst sowie auf eine theoretisierende Basis gestellt werden.

Auf dieser Grundlage erfolgt dann die kursorische Gegenüberstellung von Wolframs ›Willehalm‹ mit ›Aliscans‹ bzw. Herborts ›Liet von Troye‹ mit Benoîts ›Roman de Troie‹. An eingehenden Interpretationen ausgewählter Textpassagen lässt sich zeigen, dass Wolfram Verfahren aktualisiert, die als typisch für die höfisierende Aufbereitung von Redeszenen in mhd. Adaptionswerken gelten können, Herbort jedoch für seine Transformation der Quelle von diesen Mechanismen abweicht. Beide Vorgehensweisen repräsentieren einen unterschiedlichen Umgang mit dem Kriegsthema. Macht Wolfram den Heidenkampfstoff für sein höfisches Publikum goutierbar, so konfrontiert Herbort seine Zuhörer schonungslos mit dem Kriegsleid und lehnt dessen literarische Ästhetisierung ab. Dies zeigt sich im besonderen in den verbalen Ausfällen seiner Protagonisten (stingender hunt, bosiz as) bzw. ganz grundsätzlich in seiner spezifischen Art der Anverwandlung von Dialogen und Monologen, etwa den Totenklagen. Deutlich wird dabei, dass Herbort sich höfischen Erzählverfahren nicht einfach – wie in der Forschung bisher angenommen – verschließt, sondern einen höfisierenden Diskurs aufruft, um diesen für den Trojastoff dezidiert zurückzuweisen.

 

Johannes Frey (Erlangen)Die Funktion der Figurenrede in 'Yvain', 'Iwein', 'Ivenssaga' und 'Ywain'.

Wie verändern sich Geschichten in anderen Kulturräumen, und wie verändern sich deren Erzählmuster, um fremde Geschichten erzählen zu können? Wird eine anderssprachige Geschichte nach heimischen Erzählgewohnheiten wiedererzählt oder passt sie sich überwiegend an die narrativen Vorgaben der Vorlage an? Da die Figurenrede (im Gegensatz zum Erzählerbericht) der Erzählort ist, an dem hauptsächlich Veränderungen vorgenommen wurden, soll der Vortrag unter dem Aspekt des Wiedererzählens Aufschluss über die narrativen Funktionen der Figurenrede in vier verschiedenen Versionen einer Geschichte (Yvain, Îwein, Ywain und Ívenssaga) geben.

Hierbei soll insbesondere eingegangen werden auf

  • die hierarchisierende Funktion der Erzählstimmen in Bezug auf den narrativen Status der Figuren (Verwendung der Gemeinschafts- und Einzelrede; Bedeutung der Redeanteile),
  • die strukturierende Verwendung der Erzählinstanzen (Trennung oder Rahmung thematischer Einheiten; Begradigung des Erzählflusses),
  • die Auswirkung der Textvermittlung durch Erzähler bzw. Figuren (kumulativer Prolog; Rück- und Seitengriffe) und Erzählarbeit (Parameter, Textaufbau) auf Aussage und intratextueller Interpretation der jeweiligen Version,
  • die Bedeutung der Figurenrede im Kontext der mündlichen Vortragssituation und in der literarischen Konzeption des Autors,
  • die verschiedenen Funktionen der Reden in Bezug auf das jeweilige Erzählziel des Dichters (Entwicklung der Szene bei Chrétien; Veranschaulichung der Lehre bei Hartmann, unmittelbare Handlungsdarstellung im Ywain),
  • die Übertragung der Erzählinhalte von einer Erzählstimme in eine andere und die damit einhergehende Verschiebung der Aussage,
  • das jeweils eigene Zusammenspiel von Figurenrede und Erzählerbericht, sowie das kollektive Subjekt als dritte Erzählinstanz

Der Vortrag wird die Unterschiede der jeweiligen Fassungen in Bezug auf ihre Konzeption der Figurenrede im Textgefüge herausstellen und versuchen, zu zeigen, warum Unterschiede auftreten, und welche narrative Funktion die Rede im jeweiligen Text innehat. Dabei wird die Figurenrede gegebenenfalls gegen den Erzähler abgegrenzt und herausgestellt, wie die Wiedererzähler auf Chrétiens literarische Neuerung, die stark erhöhte Bedeutung der Figuren für die Textvermittlung, reagieren.

 

Prof. Dr.  John Greenfield (Porto)Dialogstruktur in 'Aliscans' und 'Willehalm'.

Wolframs Willehalm ist bekanntlich eine Bearbeitung der altfranzösischen Aliscans-Dichtung: Das deutsche Werk wurde etwa 30 Jahre nach Aliscans vom Parzival-Dichter für ein Publikum verfasst, das mit der Gattung chanson de geste eher unvertraut war und das einen bestimmten Erwartungshorizont hatte. Seit den Anfängen hat sich die Willehalm-Forschung mit der Bearbeitungstechnik Wolframs auseinandergesetzt und hat herausgearbeitet, wie – nach verschiedenen ästhetisch-literarischen Gesichtspunkten – Wolframs Version des Guillaume-Stoffs sich im Vergleich zur Vorlage unterscheidet. Auch in bezug auf die Dialogstruktur der beiden Werke sind die Unterschiede klar zu erkennen. Ziel meiner Überlegungen ist es, nachzuforschen, inwiefern Wolfram die Dialogstruktur seiner Quelle geändert hat und wie er die Dialoge im Willehalm unterschiedlich funktionalisiert, bzw. inszeniert hat. Bei der Analyse werde ich mich vor allem auf den Dialog zwischen Guillaume / Willehalm und Aerofles / Arofel konzentrieren.

 

Prof. Dr.  Nikolaus Henkel (Hamburg)Dialoggestaltung in deutschen und französischen Romanen des 12. Jahrhunderts. Das Modell der Dramen des Terenz und Seneca.

In den frühen französischen Romanen des 12. Jahhrunderts wie auch in deren deutschen Bearbeitungen zeigt sich als markantes Merkmal dialogischen Sprechens der schnelle und vielfach nicht markierte Redewechsel. Im Vollzug der Aufführung kann er von einem geübten Sprecher durch einen Wechsel des Stimmregisters hörbar gemacht und wirkungsvoll ausgestaltet werden. Die Frage, ob die Romanautoren für solch eine Gestaltung dialogischen Sprechens ein Modell gehabt haben, ist bisher nicht gestellt worden. Angesichts der litteraten Bildung der Autoren ist mit großer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass sie die Komödien des Terenz gekannt haben, in Frankreich auch die Tragödien des Seneca, die zum geläufigen Lektürepensum der Zeit gehört haben (B. Munk Olsen, L'Étude des auteurs classiques). Diese Dramen haben dem Mittelalter durchgängig als Lesetexte gegolten, erst die Renaissance hat den Aufführungscharakter des antiken Dramas entdeckt. In den Dramen der beiden römischen Klassiker finden sich nun relativ häufig schnelle Redewechsel, die – so meine These – den litteraten Romanautoren Modell einer effektvollen Dialoggestaltung gewesen sein dürften (in diese Richtung habeich auch in meinem Terenz-Artikel im VL 9, 1995, Sp. 704 votiert).

 

HDoz Dr.  Gert Hübner (Leipzig) "wol gespræchiu zunge". Konrads von Würzburg Meisterredner.

Der Vortrag behandelt argumentative Figurenreden in Konrads von Würzburg Partonopier und Meliur und im altfranzösischen Partonopeu de Blois. Die erzählten Situationen des Argumentierens bieten eine Möglichkeit, die Frage nach der Präsentation kultureller Einstellungsmuster zu persuasiver Eloquenz und dialektischer Beweisführung im höfischen Roman aufzuwerfen und dem Wandel der präsentierten Einstellungsmuster in der Geschichte des höfischen Romans nachzugehen. Wenn höfische Dichtung, wie Konrad im Partonopier-Prolog behauptet, Eloquenz vermittelt, kann Argumentationsfertigkeit als Bestandteil eines kommunikativen Habitus verstanden werden, dessen Exemplifikation zum Funktionspotential höfischer Romane gehört.

 

Prof. Dr.  Franz Hundsnurscher (Münster) Eröffnungsvortrag: Diachrone Dialog-Analyse

Eine linguistische Dialog-Typologie geht in der Regel von bestimmten methodologischen Postulaten aus, u.a. z.B.

  • Es gibt eine begrenzte Zahl universeller kommunikativer Zwecke, zu deren Erreichung die Menschen miteinander sprechen.
  • Von diesen Zwecken her lassen sich generelle Dialogmuster rekonstruieren, die zusammen ein Bild der kommunikativen Kompetenz der Sprecher einer Sprache ergeben und die als heuristische Vergleichsfolien bei der Analyse authentischer Gespräche dienen können.
  • Authentische Gespräche sind die konkreten Ausgestaltungen von generellen Mustern unter der Einwirkung verschiedener Performanzfaktoren (z.B. Sprecherbeziehung, Interessenlage, Situationseinbettung, kulturspezifische Konventionen).

Im Gegensatz zu der synchronen Herangehensweise an Alltagsdialoge, die dem Linguisten von seiner eigenen Wissenschafts- und Sprachpraxis her vertraut sind und seinen intuitiven Anschauungshintergrund bilden, wirft die diachrone Sprachbetrachtung eine Reihe zusätzlicher schwieriger Probleme auf. Gerade die schriftlich überlieferten literarischen Texte aus vergangenen historischen Epochen stellen eine beträchtliche Herausforderung dar; an ihnen kann einerseits die Tragfähigkeit der linguistischen Modelle erprobt werden, andererseits ist nicht ausgeschlossen, dass sich von da her neue und interessante Einblicke bei der Analyse und Interpretation der mittelalterlichen Epen ergeben. Dies soll anhand einige Beispieltexte ausprobiert werden.

 

Martin H. Jones (London)Die Figurenrede als Komponente der Kampfszenen in der 'Chanson de Roland', im 'Rolandslied' des Pfaffen Konrad und in Strickers 'Karl'.

 

Dr.  Sandra Linden (Tübingen)Das Gespräch mit dem Aggressor. Mediation als ritterliches Handlungsideal?

Der vorbildliche Held sieht sich in einem auf ritterlichen Aventiuren basierenden Romanschema oftmals mit einem Aggressor konfrontiert, der Unrecht begangen und die gesellschaftliche Ordnung gefährdet hat. Aus dieser Begegnung ergibt sich ein antagonistisches Gesprächsschema, das im höfischen Roman in den unterschiedlichsten Varianten präsentiert wird: Mal wird in aggressiv-anklagendem Gestus ein Gut-Böse-Schema durchgesetzt, mitunter können sich durch unerwartete Verhandlungsangebote einer Partei oder die strikte Ablehnung aller Mediationsbemühungen die Positionen von Angreifer und Verteidiger des Rechts aber auch wie etwa in Tristans Gespräch mit Morolt in Gottfrieds Roman deutlich verschieben. Die Strategie des Ritters ist mit den Mitteln rhetorischer Dialoganalyse daraufhin zu untersuchen, wie er Rechtspositionen ermittelt und für sich in Anspruch nimmt, ob er mit ernsthaften Mitteln um eine Deeskalation des Konflikts bemüht ist oder gerade umgekehrt durch konfrontatives Gesprächsverhalten bewirkt, dass der Streit sich zuspitzt.

Im Vortrag soll zunächst eine Typologie von epischen Gesprächsmustern für die beschriebene Streitsituation erstellt werden, im Zentrum der Analyse werden dann Chrétiens 'Erec et Enide' und 'Yvain' sowie Hartmanns Übertragungen stehen, um einen textnahen Vergleich paralleler Redeszenen in beiden Sprachen zu ermöglichen. Dabei gilt es zu ermitteln, welchen Grad der verändernden Bearbeitung Chrétiens Vorgaben erfahren und ob sich unterschiedliche narrative Zielsetzungen der Autoren und Streitkulturen des literarischen Dialogs ausmachen lassen.

 

Dr.  Katharina Mertens Fleury (Zürich)"der sol iu sîn unmære". Die Reden Lûnetes im 'Iwein' Hartmanns von Aue und Cundrîes im 'Parzival' Wolframs von Eschenbach im Vergleich mit den altfranzösischen Vorlagen.

Reden der Anklage, der Verwünschung und Entehrung bilden innerhalb des klassischen Artusromans einen wichtigen Einschnitt, sie markieren den ‚Fall’ des Protagonisten. Einige Beispiele sollen daher untersucht und mit ihren Vorlagen verglichen werden. Ausgewählt wurden dazu Szenen aus Chrétiens de Troyes ‚Yvain ou le Chevalier au Lion’ und ‚Perceval ou le Roman du Graal’, Harmanns von Aue ‚Iwein’ und Wolframs von Eschenbach ‚Parzival’, genauer Lunetes Rede vor der Artusrunde nach Yvains/Iweins Terminversäumnis und die Rede der laide demoisele /Cundrie am Plimizoel.

Die Auswahl dieser Szenen gründet in ihrer Ähnlichkeit. In allen Fällen wird der Protagonist durch die Botin des Ausgangs- und Zielortes der Handlungsproblematik (Hof Laudines, Hof des Fischerkönigs bzw. Munsalvaesche) vor versammelter Gesellschaft explizit nicht gegrüßt, dann von ihr beschuldigt und entehrt. Immer geht die gesellschaftliche Ausgrenzung vom handlungsimmanenten Hauptbezugspunkt des Protagonisten aus, ist von dort ‚autorisiert’, stets stürzt die Rede den jeweiligen Protagonisten in tiefe Verzweiflung. Neben den Konstanten bestehen jedoch auch bedeutende Differenzen zwischen den verschiedenen Texten. Sie unterscheiden sich in ihrem Aufbau, in ihrer Rhetorik, in ihren Bezügen. Die untersuchten Monologe stellen somit zwar sämtlich machtvolle Rede dar, beziehen jedoch ihre Macht, den jeweiligen Protagonisten zu ‚vernichten’, auf unterschiedliche Weise. Die skizzierten sprachlichen Handlungen sind dabei nicht nur performativ, weil fiktionsintern weltverändernd, sondern auch, weil sie auf das Erzählte Bezug nehmend vorführen, wie schlagkräftig Sprache sein kann. ‚Iwein’ vermag auf das smæhen Lunetes nicht mehr zu antworten, verliert sein (höfisches) Bewusstsein, seine Identität, läuft vom Hof in die Wildnis. Perceval und Parzival brechen zur Suche nach dem Gral auf. Ihr Fortlaufen bzw. ihr Aufbruch bedeutet zugleich den Impuls für die weitere Handlung; ist ein ‚Weiterlaufen’ der Narration. Verbale Zerstörung birgt die Gelegenheit zum Neuaufbruch, die Möglichkeit für eine Re-konstruktion des Protagonisten. Gerade das Neue besteht aber auch in einer Korrektur des Vorangehenden.

 

HDoz. Dr.  Nine Miedema (Münster)Die Redeszenen in den verschiedenen Fassungen des 'Herzog Ernst'.

Der ‘Herzog Ernst’ gehört zu den relativ seltenen Texten, bei denen nicht ein lateinischer Text ins Deutsche, sondern ein deutscher Text (mehrfach) ins Lateinische übertragen wurde. Den frühesten Fassungen des deutschsprachigen Textes (A und B im Gegensatz zu D) wird eine gewisse Nähe zur oralen Erzähltradition nachgesagt (‘Spielmannsepik’), während die lateinischen Fassungen E (Odo von Magdeburg) und C eindeutige Wurzeln in der lateinischen gelehrten (an antiken Texten geschulten) Schriftkultur aufweisen. Damit liegt geradezu der Idealfall für einen Vergleich zwischen diesen stark differierenden Erzähltraditionen vor, der sich (die Arbeiten von Ringhandt, Behr und Ehlen unter neuer Perspektive fortführend) an folgenden Fragen orientieren soll:

  • Welche Veränderungen lassen sich im Vergleich zwischen den Fassungen A/B, C und E beobachten? Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei der Umgang mit dem Fremden, für den die Möglichkeit der sprachlichen Verständigung in den verschiedenen Fassungen unterschiedlich stark betont wird.
  • Wie konturiert sich anhand dessen das Verständnis von Rhetorik, das sich im Kontrast zwischen A/B, C und E ermitteln lässt?
  • Welche Position hat der Erzähler in den genannten Fassungen inne?
  • Im Ausblick: Wie lassen sich die (deutlich von der höfischen Ästhetik nach französischem Vorbild) geprägten Redeszenen der Fassung D in diesen Diskursvergleich einbeziehen?

 

PD Dr.  Maria E. Müller (FU Berlin)Andrea Sieber (FU Berlin)Doing and undoing gender. Zur sprachlichen Konstruktion von Identität und Geschlecht in Redeszenen des höfischen Romans.

"Doing gender" ist, wie West /Zimmerman ausführen, "a situated doing". Wir grenzen die Problemstellung auf Textsituationen ein, in denen sich geschlechtsspezifische Sprecherkonstellationen in Redeszenen der höfischen Epik abzeichnen. Diese werden teils symmetrisch, meist jedoch asymmetrisch entworfen. Voraussichtlich werden wir uns insbesondere auseinandersetzen mit dem Aspekt, dass es sich durchweg um männliche Autorkonstruktionen handelt, die höfisches Gewissen an weibliche Personen delegieren, die es wiederum mit reflexionsunfähigen oder reflexionsbeschränkten Rittern zu tun haben. Komparatistische Beobachtungen können den Befund erhellen. Textbeispiele werden den Antiken-, Artus- und Gralroman berücksichtigen.

 

Prof. Dr.  Dagmar Neuendorff (Åbo)Über die Schwierigkeiten, sich zu streiten. Konflikte und Konfliktlösung in "Nibelungenlied" und "Kalevala".

In dem vorgeschlagenen Vortrag sollen anhand der 1. Ankunft Siegfrids am Hofe zu Worms und dem Konflikt zwischen dem jungen Joukkahainen und dem alten Zauberer Väinämöinen in dem finnischen Epos ‚Kalevala’ Formen der Konfliktentwicklung und Konfliktlösung aufgezeigt werden. Es werden zwei sehr unterschiedliche Modelle aufzuweisen sein und es soll am Ende vorsichtig die Frage gestellt werden, ob und inwiefern diese Modelle bis in die Gegenwart hinein fortwirken.

Literatur:

Literarische und historische Gesprächsanalyse

Betten, Anne 1990: Zur Problematik der Abgrenzung von Mündlichkeit und Schriftlichkeit bei mittelalterlichen Texten, in: Neuere Forschungen zur historischen Syntax des Deutschen. Hgg. Betten, Anne. Tübingen, 324-335.

Enninger, Werner 1990: Zu Möglichkeiten und Grenzen historischer Diskursanalyse, in: Zeitschrift für Germanistik 2, 1990. Leipzig, 147-161.

Grosse, Siegfried 2000: 97. Reflexe gesprochener Sprache im Mittelhochdeutschen, in: Sprachgeschichte Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. 2. Teilband. 2. vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Hgg. Werner Besch/ Anne Betten/ Oskar Reichmann/ Stefan Sonderegger.Berlin, New York, 1391-1399.

Jucker, Andreas H./ Gerd Fritz/ Franz Lebsanft (Hgg.) 1999: Historical Dialogue Analysis. Amsterdam, Philadelphia PA.

Rehbock, Helmut 2001: 90. Ansätze und Möglichkeiten einer historischen Gesprächsforschung, teoksessa: Brinker et al. 2001. pp. 961-970.

Weigand, Edda 1988: Historische Sprachpragmatik am Beispiel: Gesprächsstrukturen im Nibelungenlied, teoksessa:Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 117. Stuttgart, 159-173.

Konflikt und Emotion im Gespräch

Fiehler, Reinhard 1986: Zur Konstitution und Prozessierung von Emotionen in der Interaktion. Emotionsaufgaben, Emotionsregeln und Muster der Kommunikation von Emotionen. In: Kallmeyer, Werner (Hrsg.): Handlungsmuster, Textsorten, Situationstypen. Jahrbuch 1985 des Instituts für deutsche Sprache. S. 280-325 - Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann-Bagel, 1986. (Sprache der Gegenwart 67)

Fiehler, Reinhard 1990: Kommunikation und Emotion. de Gruyter, Berlin.

Fiehler, Reinhard 1991: Kommunikation und Emotion. In: Sprachreport 1/91. S. 11-13 - Mannheim: 1991.

Fiehler, Reinhard 1993: Grenzfälle des Argumentierens. ‘Emotionalität statt Argumentation’ oder ‘emotionales Argumentieren’? In: Sandig, Barbara & Püschel, Ulrich (Hgg.) Stilistik III: Argumentatiosstile. Tübingen, 149-174.

Nuolijärvi, Pirkko / Tiittula, Liisa 2000: Televisiokeskustelun näyttämöllä. Televisioinstitutionaalisuus suomalaisessa ja saksalaisessa keskustelukulttuurissa. SKS, Helsinki.

Schank, Gerd & Johannes Schwitalla (Hrsg.) 1987: Konflikte in Gesprächen Tübingen : Narr. [Bibliothek ÅA Arken: GERM. IVA: 1]

Tiittula, Liisa 2001. Argumentationsstile in deutschen und finnischen Fernsehdiskussionen. Jakobs, Eva-Maria & Rothkegel, Annely (Hg.), Perspektiven auf Stil. Niemeyer, Tübingen, 205–227.

Tiittula, Liisa 1997: Stile der Konfliktbearbeitung in Fernsehdiskussionen, in: Selting, Margret & Barbara Sandig (Hgg.) Sprech- und Gesprächsstile. de Gruyter, Berlin, New York. S. 371-399.

 

PD Dr.  Rita Schlusemann (Leipzig)„mit scoenre tael“. Redetechniken männlicher und weiblicher Figuren in der niederländischen und deutschen Reynaert-Epik.

Mit Hilfe sprachlicher Mittel gelingt es dem Fuchs Reynaert vor allem im zweiten Teil des Tierepos Reynaerts historie und im niederdeutschen Reynke de vos letztendlich immer wieder, sich aus für ihn bedrohlichen Situationen zu befreien, wie in der Forschung hinlänglich herausgestellt wurde. Die Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen der niederländischen und der niederdeutschen Versionen von Reynaerts historie sollen hier, als Erweiterung und Neuerung gegenüber der bisherigen Forschung, vergleichend hinsichtlich der Gestaltung der Redeszenen, der Verwendung ähnlicher und unterschiedlicher Stilmittel sowie Gesprächstechniken untersucht werden. Ein besonderer Akzent soll dabei auf geschlechtsspezifische Unterschiede im Redeverhalten einzelner Figuren gelegt werden, denn die Königin, die Frau des Fuchs sowie die Äffin Rukenau spielen im Epos eminent wichtige Rollen, die weniger über ihre (geringere) körperliche Kraft als über ihre sprachliche Techniken und Verhaltensweisen beschreibbar sind.

 

Dr.  Angela Schrott (Regensburg)Von der Lebendigkeit der Heiligenleben. Techniken der Dialoggestaltung in den hagiographischen Texten Gonzalos de Berceo.

Die im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts verfassten Heiligenviten und Mirakelerzählungen Gonzalos de Berceo (z.B. die Vida de Santo Domingo de Silos, die Vida de San Millán und die Milagros de Nuestra Señora) basieren auf lateinischen Quellentexten, die bei der Übertragung in die Volkssprache zugleich in den Einflussbereich anderer Diskurstraditionen bzw. Gattungsnormen gelangen. Zu nennen ist hier in erster Linie das gelehrte mester de clerecía, doch spielen auch die episch-juglaresken Traditionen des cantar de gesta eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Diese modifizierten Diskurstraditionen haben entscheidenden Anteil daran, dass Gonzalo de Berceo die lateinischen Vorlagen in hohem Maße dialogisch umgestaltet. Diegetische Passagen werden amplifizierend zu dialogischen Interaktionen geformt, so dass Kernszenen und Peripetien der Texte mimetisch im Dialog repräsentiert werden.

Die linguistisch-philologische Analyse will am Beispiel ausgewählter Textpassagen analysieren, auf welche Weise Gonzalo die lateinischen Vorlagen dialogisch umgestaltet und inwiefern sich bestimmte Techniken bzw. Muster der Umgestaltung erkennen lassen. Dabei wird auch untersucht, welchen Traditionen des Sprechens bzw. welchen Gattungsnormen Gonzalo bei der Modellierung der dialogischen Interaktionen folgt und in welcher Relation diese Normen und Traditionen zur Rezeptionssituation der Texte stehen.

 

PD Dr.  Monika Unzeitig (Bremen)Die Kunst der Schmährede.

Die erzählende Literatur des Mittelalters spiegelt höfische Gesprächskultur, Formen der Höflichkeit und Regeln im Sprechen miteinander. Die Redeszenen führen den sprachlichen Umgang der höfischen adligen Gesellschaft vor und zeigen, dass das Beherrschen der Kommunikationsregeln zum adligen Selbstverständnis gehören.

Wenn hier die Artusromane Chrétiens, Hartmanns und Wolframs als Textgrundlage gewählt werden, so deshalb weil die Ausgestaltung höfischen Sprechens nicht nur durch Figurenrede von der Ausdrucksweise nicht höfischer Personen abgesetzt wird, sondern weil sich innerhalb des Artushofes die Figur des Keie als unhöfischen Redners profiliert.

Im Kreise der Artusrunde wird mit Chrétiens ‚Yvain’ der Truchsess Keie zur schmähsüchtigen, scharfzüngigen und beleidigenden (ranposneus, poignanz, afiteus) Figur: ein Experte der Schmährede, im gezielten Beleidigen ein Könner. Seine Sonderrolle erhält er durch seine sprachliche Stärke, die durch ihre unverschämte Rede mit den Konventionen höfischen Sprechens am Artushof kontrastiert und auch in Widerspruch steht zu seinem Hofamt, das ihn zum Vertreter der höfischen Ordnung bestellt. Die verbale Anmaßung korreliert mit der immer wieder vorgeführten physischen Unterlegenheit dieses Artushelden im ritterlichen Kampf.

Keies langue male, seine Schmähreden und ihre rhetorische Gestaltung sowie die Kommentare und Analysen zu seinen Invektiven durch Hofmitglieder und den Erzähler sollen Gegenstand der Untersuchung sein.

 

Dr.  Annette Volfing (Oxford) "si sprach hin ze im en franzoys: ob ichz iu tiuschen sol,/ mir tuont ir mære niht se wol". Zur Betonung sprachlicher Differenz in den Dialogen des mittelhochdeutschen höfischen Romans.

Viele mittelhochdeutsche höfische Romane betonen die Tatsache, dass die deutsche Sprache, in welcher die Erzählung verfasst ist, sich von der intradiegetischen Kommunikationsprache unterscheidet, und dass die Dialoge also nicht die genauen Worte der Protagonisten wiedergeben. Obwohl die Erzähler manchmal pragmatische Gründe haben, die Verwendung der französischen Sprache zu unterstreichen (z.B. um zu erklären, wie ein Gast aus dem exotischen Osten sich mit den Mitgliedern des Artushofs unterhalten kann), hat diese Hervorhebung des französischen weitere literarische und narratologische Implikationen, da sie nicht nur auf die kulturelle Trennung des Publikums von den Protagonisten aufmerksam macht, sondern auch auf die vermittelnde Rolle des Erzählers bei der Konstruktion von Dialogen. Der angebotene Vortrag wird zuerst zeigen, wie sich Wolfram und Gottfried sich in Bezug auf diese Problematik erzählstrategisch unterscheiden, und wird dann (mit besonderer Berücksichtigung Albrechts Jüngerer Titurel and Johanns von Würzburg Wilhelm von Österreich) die Frage erörtern, inwieweit das Fehlen einer unmittelbaren französischen Vorlage die Darstellung von Sprache und sprachlicher Differenz im nachklassischen deutschen Artusroman beeinflusst.