Semantische Netze

Gegenstand eines semantischen Netzes ist die begriffliche Einordnung von Konzepten sowie die Zuordnung von bestimmten Eigenschaften, die diese Konzepte aufweisen. Ein Klassiker unter den semantischen Netzen ist das in der nachstehenden Graphik kodierte 'Lebewesen-Netz':

(George Miller, Wörter – Streifzüge durch die Psycholinguistik, Spektrum Verlag 1993)

Ein semantisches Netz weist eine hierarchische Struktur auf und basiert letztendlich auf so etwas wie der aristotelischen Begriffsdefinition, nach der ein beliebiger Begriff definiert ist durch die Angabe seines Oberbegriffes (Genus Proximum) und derjenigen Merkmale, die notwendig und hinreichend sind, um den Begriff von anderen Unterbegriffen desselben Oberbegriffes abzugrenzen (Differentia Specifica). Diesbezüglich geht ein semantisches Netz allerdings etwas weiter, insofern auch solche Merkmale auftreten können, die eher den Status von zusätzlicher Information haben.

Ein wichtiger Punkt (auch für unser Prolog-Programm) ist bei einem semantischen Netz die Tatsache, daß sich die Eigenschaften eines Oberbegriffes auf alle seine Unterbegriffe 'vererben', was die ganze Geschichte natürlich ökonomischer macht. Die Frage: 'was passiert bei Merkmalskonflikten – wenn also ein Begriff eine Eigenschaft 'erbt', die er gar nicht aufweist – z.B. im Fall des Straußes' werden wir in der LV behandeln.

Im Rahmen der KI-Forschung sind semantische Netze spätestens seit den Arbeiten von M.R. Quillian Ende der sechziger Jahre ein Begriff. Quillians zentrales Anliegen war es, ein Modell des menschlichen Gedächtnisses zu entwickeln. In Zusammenarbeit mit A. M Collins wurde eine Version dieses Modells implementiert, und zwar unter der Bezeichnung TLC – 'teachable language comprehender' – einer der ersten Versuche, menschliches Wissen bzw. die Verarbeitung dieses Wissens auf einem Computer zu modellieren. Wenn auch TLC zahlreiche Mängel hatte, wird es doch allgemein als Vorläufer späterer Implementierungen semantischer Netze betrachtet.

Zahlreiche moderne Ansätze im Bereich der Sprachwissenschaft nutzen ganz ähnliche Organisationsprinzipien, beispielsweise die im Bereich der HPSG verwendeten Typhierarchien, bei denen es nicht nur, wie in unserem Mini-Netz, um semantische, sondern auch um andere linguistische Information geht, beispielsweise im Bereich der Wortartenklassifikation.