Deutsch als Zweitsprache/Fremdsprache
Hinweis zur Lehre im WS

Im Wintersemester 2020/21 können alle Module und damit alle Studiengänge des Fachbereichs 10 online und digital studiert werden. Einzelne Veranstaltungen und Veranstaltungssequenzen finden mit den üblichen Abständen und Hygieneregeln auch in Präsenz statt, etwa Foschungsseminare, (spachpraktische) Übungen oder Tutorien. Details zu allen Lehrveranstaltungen finden Sie in den Veranstaltungsprogrammen der Studiengänge und in Stud.IP.

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Deutsch als Zweitsprache/Fremdsprache

Tagung „(Mehr-)Sprachigkeit als Ressource in schulischen Kontexten“

Abstracts

Plenarvortrag I: (Mehr-)Sprachigkeit in schulischen Kontexten – von Menschen, Sprachen und ihren kontextuellen Einbettungen

Vertr.-Prof. Dr. Andrea Daase, Universität Bremen

Wenn von Mehrsprachigkeit im Allgemeinen und in Schule im Besonderen die Rede ist, fallen zwei Perspektiven ins Auge: Zum geht es um die dezidierte Aufgabe von Schule und das Ziel schulischer Bildung, alle Schüler*innen zur sogenannte Bildungssprache des Deutschen hinzuführen, wobei implizit der Fokus v.a. auf Schüler*innen aus mehrsprachigen Familien gelegt wird. Zum anderen wird auf die sogenannten Herkunftssprachen mehrsprachiger Schüler*innen verwiesen, welche als Ressource für das schulische Lernen und den Sprachausbau im Deutschen dienen soll. Beide Perspektiven gehen nicht von den Menschen aus, sondern von vermeintlich klar voneinander abtrennbaren Sprachen bzw. Registern, denen jeweils ein spezifischer Gebrauchskontext zugewiesen wird. Zudem liegt ihnen unter dem Deckmantel der Mehrsprachigkeit letztendlich ein monolingualer Habitus und eine einseitige Sicht auf die Funktion von Sprache zugrunde. 

Ohne der beschriebenen Aufgabe von Schule, im Sinne der Bildungsgerechtigkeit alle Schüler*innen zu bildungssprachlichen Kompetenzen zu führen und dabei ihre (mehr-)sprachlichen Ressourcen einzubeziehen, in Frage zu stellen, soll in dem Vortrag ein erweiterter Blick auf (Mehr-)Sprachigkeit als Ressource in schulischen Kontexten eingenommen werden. Dabei wird von den individuellen historisch-biographischen Menschen und ihren sprachlichen Repertoires, die in unterschiedlichen Domänen ausgebildet und eingesetzt werden, ausgegangen. Es wird ein Verständnis von Sprache als sozialer Praxis zugrunde gelegt und die Funktionalität sprachlicher Register in den Blick genommen. Darauf basierend wird dafür plädiert, Sprachbildung in der Schule und für die Zukunft und das Leben der Schüler*innen wieder ganzheitlicher zu betrachten.

Plenarvortrag II: Das mehrsprachige Klassenzimmer als „sicherer Ort“ im Kontext von Migration und Trauma

Dr. Verena Plutzar, Wien

In der Traumapädagogik ist der „sicherer Ort“ ein zentrales Element. Er stellt für Menschen, die traumatisierende Erfahrung gemacht haben, einen wichtigen Entwicklungsraum zur Verfügung. Der „sicherer Ort“ ist einer, in dem nicht nur das durch das Trauma verlorene Vertrauen zur Umwelt wieder aufgebaut werden kann, sondern er ermöglicht darauf aufbauend, dass eine konstruktive Auseinandersetzung mit Neuem und Unvertrautem (wieder) möglich wird.

Das mehrsprachige Klassenzimmer im Jahr 2019 ist bestimmt durch den Kontext Flucht- und Migrationsbewegungen. Kinder und Jugendliche bringen nicht nur unterschiedliche Sprachen in den Unterricht, sondern auch traumatisierende Erfahrungen, die mit jeder Flucht und potentiell mit jeder unfreiwilligen Migration verbunden sind. Dazu gehören auch – ganz wesentlich für Bildungszusammenhänge – das Erleben einer (anfänglichen) Sprachlosigkeit bei gleichzeitiger Notwendigkeit der Aneignung einer neuen Sprache.

Die engen Verbindungslinien zwischen Sprachverlust und -aneignung auf der einen Seite und Migrations- und Fluchterfahrung auf der anderen Seite werden im Vortrag nachgezeichnet und psychoanalytisch begründet. Diese Zusammenhänge machen die Notwendigkeit deutlich, das Klassenzimmer nicht nur emotional, sondern vor allem auch sprachlich als „sicheren Ort“ zu gestalten. Unter den aktuellen Strömungen scheint die pädagogische Strategie des „translanguaging“ diese Notwendigkeit am besten zu erfüllen, was schließlich anhand der grundlegenden Haltungen dieser Strategie und eines konkreten Unterrichtsbeispiels erläutert wird.  

Workshop I: Fachsensibler Sprachunterricht – Wie holen wir das Fachliche in den Sprachkurs?

Bettina Rick, Bremen

In den Vorkursen für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche werden je nach Schulstufe unterschiedliche sprachliche Kompetenzerwartungen an die Schüler*innen gestellt. Inwieweit diese mit fachbezogenen Inhalten und Methoden verknüpft werden können und sollen, ist aber derzeit noch nicht in jedem Bundesland in gemeinsamen Richtlinien und curricularen Vorgaben definiert, obwohl die Notwendigkeit der Vermittlung bildungs- und fachsprachlicher Register im schulischen Unterricht unbestritten ist. In den Bereichen Ausbildung und Beruf hingegen hat eine Hinwendung zur fach- und berufsbezogenen Unterrichtspraxis bereits ab dem Niveau A2 / B1 des GER stattgefunden. Auch für Studierende wird an vielen Universitäten studiengangsbezogene Fachsprache in studienvorbereitenden Sprachkursen vermittelt.

Um solch eine Verzahnung von sprachlichen und fachlichen Inhalten auch in den Vorkursen umzusetzen, bedarf es vielerorts der Eigeninitiative und Kreativität einzelner Lehrkräfte an den Schulen, die für diese Herausforderung unterstützende Angebote bekommen sollten.

In diesem Workshop sollen Methoden und Strategien bei der Vermittlung fachlicher Inhalte in heterogenen Gruppen thematisiert werden. Wie – und ab welchem Zeitpunkt - kann es gelingen, im Unterricht von einem fremdsprachlichen zu einem schulsprachendidaktischen Ansatz überzuleiten, binnendifferenziert zu arbeiten und die mehrsprachlichen Ressourcen mit einzubeziehen?

Hierzu wird ein Einblick in verschiedene Modelle fachlichen Lernens in Vorkursen gegeben. Anhand eines curricularen Vorschlags für die Sekundarstufe I kann an der exemplarischen Vorstellung einer Unterrichtseinheit erläutert werden, wie die Verknüpfung von Wortschatz, Grammatik und Fachthemen unter der Berücksichtigung bildungssprachlicher Kompetenzen  mit dem Schwerpunkt Textarbeit gelingen könnte.

Gemeinsam mit den Teilnehmenden sollen weitere Beispiele für die Bezüge von sprachlicher Progression und fachlichem Lernen herausgearbeitet werden.

Workshop II: Prinzipien, Konzepte und Methoden des sprachbildenden Fachunterrichts

Prof. Dr. Constanze Niederhaus, Universität Paderborn

Lernen im Fachunterricht ist ohne (Bildungs-)Sprache kaum möglich; fachliches Lernen bedeutet daher immer auch sprachliches Lernen. Zudem weist Fachunterricht ein großes Potenzial für die Förderung (bildungs-)sprachlicher Kompetenzen auf.

In diesem Workshop setzten wir uns zunächst mit den verschiedenen Ansätzen der sprachlichen Bildung im Fachunterricht aus und gehen in gebotener Kürze auf Konzepte wie sprachsensibler Fachunterricht, sprachaufmerksamer Fachunterricht und durchgängige Sprachbildung sowie auf das Prinzip Scaffolding ein.

Im Anschluss lernen wir Methoden der sprachlichen Bildung im Fachunterricht kennen und erarbeiten Anwendungsmöglichkeiten für die eigenen Unterrichtsfächer bzw. den eigenen Unterricht.

Workshop III: Diagnosebasierte Sprachbildung und -förderung

Prof. Dr. Marion Döll, PH Oberösterreich, Linz

Dass der Planung und Durchführung von Maßnahmen der Sprachbildung und -förderung eine Diagnose der bereits erworbenen Sprachkompetenzen vorausgehen sollte, ist ein Allgemeinplatz. Es liegen unterdessen zahlreich Verfahren vor, mit Hilfe derer die nötigen pädagogischen Diagnosen für das Deutsche als Zweitsprache durchgeführt werden können (sollen). Diese Instrumente unterscheiden sich im Hinblick auf verfahrenstheoretische und linguistische Grundlagen sowie Verfahrensqualität zum Teil beträchtlich.

Im ersten Teil des Workshops widmen wir uns daher über allgemeine und pauschalisierende Überlegungen zur Verfahrensgüte hinausgehend der Frage, woran für pädagogische Anlässe geeignete Verfahren erkannt werden können. Als Orientierung soll dabei das interpretation/use argument-Modell (Kane 2013) herangezogen werden.

Im zweiten Teil des Workshops gehen wir daran anknüpfend der Frage nach, wie die Ergebnisse von Verfahren, die sich als Grundlage für eine differenzierte Förderung als geeignet erwiesen haben, konkret nutzen lassen. Im Rahmen dessen werden das Sphärenmodell und die Leitfragen der AG Niveaubeschreibungen vor- und zur Diskussion gestellt.

Zum Abschluss des Workshops verschaffen wir uns einen Überblick über die derzeitigen Möglichkeiten und Limitierungen der diagnosebasierten Sprachbildung und -förderung, aus dem Schlussfolgerungen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen gezogen werden können.


Referenzen

Kane, M.T. (2012). Validating the Interpretations and Uses of Test Scores. Journal of Educational Measurement. Spring 2013, Vol. 50, No. 1, pp. 1–73

Workshop VI: Mehrsprachigkeit im schulischen Sprachenunterricht – Impulse für Unterricht in Deutsch, Fremdsprachen und sog. Herkunftssprachen

Dr. Sandra Ballweg, Universität Bielefeld

Mehrsprachigkeit ist Alltag an deutschen Schulen. Kinder und Jugendliche lernen Fremdsprachen in der Schule, bringen aus dem Elternhaus verschiedene Sprachen und Dialekte mit und erweitern ihre Deutschkenntnisse in verschiedenen Registern. Auch viele Lehrende sind auf die eine oder andere Weise mehrsprachig. Demgegenüber steht eine monolinguale Tradition an deutschen Schulen, die manchmal sogar die Kommunikation auf dem Pausenhof bestimmt.

In diesem Workshop werden wir Möglichkeiten erarbeiten, wie in Grundschulen sowie in weiterführenden Schulen im Sprachenunterricht Mehrsprachigkeit nicht nur berücksichtigt, sondern auch gefördert werden kann. Dazu stelle ich einige Beispiele für den Regelunterricht sowie für projektorientiertes Arbeiten vor, die im Unterricht für Deutsch, Fremdsprachen und auch die sogenannten Herkunftssprachen einsetzbar sind. Darüber hinaus werden wir gemeinsam weitere Ideen erarbeiten, die auf Ihren Unterrichtskontext zugeschnitten sind.

Die theoretische Rahmung bieten Erkenntnisse zum multiplen Spracherwerb, zu Familiensprachen sowie zur Mehrsprachigkeitsdidaktik.