Kognitive Psychologie

kognitive Psychologie [(lat. cognitio; Erkennen, Erkenntnis) cognitive psychology]. Auch: kognitive Theorie. Ein neuer, struktural und funktional begründeter Ansatz in der Psychologie, der vom Standpunkt des ->Behaviorismus auch als >kognitive Wende< bezeichnet wird. Zentral für die k. P. sind Begriff und Gegenstand der kognitiven Struktur, die als organisierte ->Repräsentation früherer Erfahrungen im Gedächtnis das Resultat konstruktiver Aktivität des Individuums ist.

Kognitive Strukturen identifizieren, ordnen und organisieren als Beziehungsrahmen oder Schemata neue visuelle, auditorische u. a. Information. Dabei handelt es sich insofern um visuelle, auditorische u. a. Kognitionen, als Sehen, Hören und Erinnern als konstruktive Akte der Informationsverarbeitung aufgefaßt werden, die reizunabhängige Determinanten enthalten, die also von Stimulusinformation im physikalischen Sinne nur mehr oder weniger (selektiv) Gebrauch machen. Wahrnehmen z. B. ist ein aktiver Analyse-durch-Synthese-Prozeß, bei dem die Analyse durch die Synthese bzw. durch das Ziel der Konstruktion bestimmt wird (Subsumtion unter ein Konzept: Menschen sehen nicht Abbilder einer Wirklichkeit, sondern ihre Konstruktionen). Konstruktive Prozesse durchlaufen eine schnelle ganzheitliche Stufe oder Phase und eine parallele detaillierte, aufmerksam-bewußte und sequentielle Stufe oder Phase. Erinnerung und Problemlösen sind hierarchisch organisierte konstruktive Akte, die sich auf frühere (strukturierte) lnformation stützen.

Nach U. Neisser untersucht die k. P., wie Information durch den Menschen verarbeitet wird bzw. wie Information sich im Menschen fortpflanzt d. h. alle Prozesse ,  "durch die der sensorische Input umgesetzt, reduziert, weiter verarbeitet, gespeichert, wieder hervorgeholt und schließlich benutzt wird" (1974, S. 19). Was dabei transformiert wird, ist Information, und das, was die k. P. verstehen will, ist das Strukturmuster ihrer Transformation (aaO., S. 25). Aspekte der Kognition sind Wahrnehmung und Vorstellung (auch als Erwartung), Gedächtnis und Wissen, Behalten und Erinnern, Denken (z. B. als Ableitung neuer aus vorhandener Information), Problemlösen. Bei der Erarbeitung von Modellen des Wissens (Kenntnissysteme und ihre Repräsentation sowie ihre funktionalen/prozeduralen Mechanismen), des Erwerbs und der Verwendung des Wissens (Begriffsbildung, Kategorisierung usw.) gibt es Beziehungen zur lnformatik. Dabei wird Computersimulation als methodisches Hilfsmittel gesehen. Zum Problem, wie der menschliche Geist arbeitet, hat nach Neisser die Programm-Analogie Vorteile gegenüber früheren Konzeptionen (Quelle fruchtbarer Hypothesen, eine bestimmte Begrifflichkeit), obwohl kein Computermodell der Komplexität menschlicher geistiger Prozesse gerecht wird (1974, S. 25).

Vgl. ->künstliche Intelligenz, Repräsentation, Kasusrahmen; internes Lexikon, semantisches Netz, Sprachwahrnehmung; Inferenz, Kohärenz, Kurzzeitgedächtnis, Langzeitgedächtnis, Wissen.

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