Textlinguistik

Textlinguistik [text linguistics, linguistique textuelle, lingvistika teksta]. Die Untersuchung von Texten mit linguistischen und interdisziplinären Methoden. Linguistische Teildisziplin, deren primären Gegenstand Texte bilden und deren Aufgabe in der Beschreibung der Konstitution von Texten, in der Angabe von allgemeinen Prinzipien des Textaufbaus und insbesondere in der Spezifizierung der Bedingungen besteht, unter denen Textkohärenz entsteht.

Für die Etablierung der (relativ jungen) Disziplin T. gibt es theoretische, empirische und angewandt- interdisziplinäre Begründungen (van Dijk 1979, S. 506ff.). Nach P. Hartmann (1984) ist die Hinwendung der Linguistik zu Textfragen eine Hinwendung zur Realität der Sprache, eine Form realistischer Sprachforschung. Die Erkenntnisinteressen der T. richten sich aufdie Frage der Textkonstitution, d.h. auf Verfahren der Kohärenzbildung, Strategien der Vertextung, der Bildung von Makro- und Mikrostrukturen des Textes, der Textgliederung also, auf Funktionen von Texten und Möglichkeiten der Unterscheidung von Textsorten.

Als Richtungen bzw. Tendenzen textlinguistischer Forschung lassen sich unterscheiden  1) eine transphrastische oder die Satzgrenze überschreitende T. mit der Blickrichtung vom Satz zum Text (vgl. ->Transphrastik,  Satzverflechtung, Vertextungstypen),  2) Textgrammatiken als Entwicklungen der generativen Transformationsgrammatik mit semantisch-logischer Fundierung und (inzwischen) komplexen pragmatischen Erweiterungen, 3) eine pragmatisch und kommunikativ fundierte, handlungs- und sprechaktorientierte T., die sich z. T. als jeder T. vorgeordnete Texttheorie begreift oder, noch weiter ausholend, sich als Linguist der Kommunikation, ihrer Voraussetzungen, Bedingungen und Organisationsformen definiert, 4) eine kognitionspsychologisch ansetzende und grundsätzlich interdisziplinär angelegte T., die a) als prozedurale T. Text als kybernetisches System unter dem Gesichtspunkt von Problemlösungsverfahren bestimmt, Phänomene der Textkonstitution im Zusammenhang von Textproduktion und Textrezeption beschreibt und zur Beschreibung und Erklärung Repräsentationstechniken der ->künstlichen Intelligenz verwendet oder b) als Textwissenschaft mit grammatischer Fundierung und pragmatischer Weiterung Anwendungsmöglichkeiten und Kooperationen in einer Reihe praxisrelevanter Bereiche anstrebt (van Dijk).

Auf die Notwendigkeit, bei der Untersuchung von Texten auch das einzubeziehen, was nicht mehr in der Sprache selbst liegt, weist Hartmann (1984) hin. Eine solche Interdisziplinarität habe Konsequenzen für die Gegenstands- und Methodenbildung der Linguistik. Eine T., die die Bedingungen und Prozesse der Textbildung berücksichtigt, muß ihren Gegenstand mehrdimensional konzipieren. Neben unverzichtbare analytisch-reduktive Methoden treten dann notwendig solche, die sich auf die Finalität von Texten richten. Ein Irrweg ist nach Coseriu (1981) die Auffassung von T. als allgemeiner Linguistik auf der Grundlage der als universal bestimmten Textkategorie (Linguistik als Textlinguistik). Eine Form der Textgrammatik auf der Ebene der einzelsprachlichen Strukturierung stellt die transphrastische Grammatik dar. Die eigentliche T. erkennt Texte auf der autonomen Ebene des Sprachlichen bzw. auf der Ebene der Sprache überhaupt - oder auf der Ebene der die Einzelsprachen transzendierenden universalen Möglichkeiten .

Vgl. ->Text, Textualität; Textgrammatik, Textwissenschaft, Texttheorie; Gesprächsanalyse .

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