Aushandlungsprozesse anregen durch die Inszenierung von Fremdheitserfahrungen im Englischunterricht
Das Promotionsvorhaben widmet sich der Untersuchung von Fremdheitserfahrungen und deren Aushandlungen im Englischunterricht. Ziel ist es, theoretisch und empirisch erste Inszenierungsprinzipien für Fremdheitserfahrungen herauszuarbeiten.
Das Fremde und Fremdheitserfahrungen spielen in der deutschen Ausprägung des Fremdsprachenunterrichts und seiner Didaktik eine zentrale Rolle. Die Konzeption des Fremden knüpft sich an die historisch gewachsenen Annahmen, dass Sprache und Kultur zusammenhängen und, dass das Lernen der „Fremdsprache“ und das Lernen über eine „Zielkultur“ eine Begegnung mit einer fremden Weltsicht darstellen1. Über diese Begegnung würden Schüler*innen die eigene Weltsicht relativieren und reflektieren (vgl. Breidbach 2007: 168). In der Auseinandersetzung mit Theorien des Fremden aus relevanten Bezugsdisziplinen der Englischdidaktik zeigen sich jedoch weitere Möglichkeiten, Fremdheit zu konzipieren und auszudifferenzieren. Demnach wären Fremdheitserfahrungen nicht an ethnische oder nationale Differenzzuschreibungen gebunden, sondern könnten auch in Bezug auf andere Abgrenzungen wie beispielsweise Altersgruppen, Gender (siehe z. B. Merse 2017) oder politische Einstellungen entstehen. Eine solche Konzeption von Fremdheit öffnet für die Konzeption der inhaltlichen Dimension des Englischunterrichts neue Möglichkeiten. Diese will das Projekt empirisch erfassen: Wann kommt es zu Fremdheitserfahrungen im Englischunterricht? Was passiert im Anschluss an diese? (Wie) können Fremdheitserfahrungen so inszeniert werden, dass Bedeutungsaushandlungen entstehen?
Als theoretische Grundlage wird in dem Promotionsvorhaben eine Konzeption von Fremdheit herausgearbeitet, die an die bisherige Konzeption des Faches anschließt, aber Englisch als internationale Sprache und weitere Alteritätskonzepte berücksichtigt. In unterschiedlichen Schulformen wird eine gemeinsam mit Lehrkräften vorbereitete Unterrichtseinheit im Englischunterricht der Klassenstufen 8 oder 9 aufgezeichnet. Aus diesem Material werden Sequenzen zur näheren Untersuchung herausgesucht, in denen Fremdheitserfahrungen sichtbar werden. Ein besonderer Fokus wird bei der Analyse auf die Ebenen der Sprache, der beteiligten Akteure, der Interaktion und des Inhalts gelegt. Ziel des Promotionsvorhabens ist es, zunächst einen Begriff und eine empirische Beschreibung für diese Art der Irritation durch Fremdheitserfahrung zu finden sowie theoretisch und empirisch fundierte Prinzipien zur Inszenierung von Fremdheit im Englischunterricht zu formulieren.
1Dieser Gedanke ist historisch aus Wilhelm von Humboldt's zentraler Annahme, jede Sprache habe die Kraft, eine bestimmte Weltsicht zu prägen entstanden, woraus für den Sprachunterricht die Aufgabe erwuchs, diese Weltsicht bewusst werden zu lassen (Hüllen 2005: 85).
Literatur
Breidbach, Stephan (2007): Bildung, Kultur, Wissenschaft. Reflexive Didaktik für den bilingualen Sachfachunterricht. Münster [u.a.]: Waxmann Verlag.
Hüllen, Werner (2005): Kleine Geschichte des Fremdsprachenlernens. Berlin: Erich Schmidt Verlag.
Merse, Thorsten (2017): Other Others, Different Differences: Queer Perspectives on Teaching English as a Foreign Language. München. Abrufbar unter https://edoc.ub.uni-muenchen.de/20597/ [https://edoc.ub.uni-muenchen.de/20597/] (Zugriff am 10.07.2017).
Dissertationsprojekt von Mareike Tödter