Grundbegriffe der Aussagenlogik
3.1. Vorbemerkung
Die Aussagenlogik ist ein Zweig der formalen Logik, der die Beziehungen zwischen
Aussagen und Aussagenverbindungen untersucht. Aussagen sind abstrakte Begriffe,
auch Propositionen genannt, die in der Alltagssprache durch
Sätze ausgedrückt werden. Dabei kommt es in der Aussagenlogik nicht auf den konkreten
Inhalt der Aussagen an, sondern nur auf die Entscheidung, ob eine Aussage
wahr oder falsch ist. Die Sätze
(3.1.) |
a. Der Mars ist ein Planet.
b. Der Mond ist ein Planet.
|
drücken zwei verschiedene Aussagen aus, wovon die erste wahr und die zweite falsch
ist. Der Satz
(3.2.) Peter liebt Maria, aber sie verabscheut ihn.
drückt ebenfalls eine Aussage aus. Sie ist jedoch aus zwei einfacheren Aussagen
zusammengesetzt, die durch die Sätze
(3.3.) |
a. Peter liebt Maria.
b. Maria verabscheut Peter.
|
wiedergegeben werden können. Man nennt solche komplexen Aussagen Aussagenverbindungen.
Die Verknüpfung geschieht hier alltagsprachlich durch das Wort aber (in der
Bedeutung 'und'). Dabei wird angenommen, daß die Wahrheit der Aussagenverbindung
sich aus der Wahrheit der elementaren Aussagen “berechnen” läßt.[1]
In der formalen Logik werden Aussagen und Aussagenverbindungen durch eine formale
Sprache ausgedrückt. Wie bei natürlichen Sprachen unterscheidet man auch bei formalen
Sprachen zwischen der Syntax und der Semantik
von Ausdrücken. Die Syntax einer Sprache legt durch Regeln
fest, wie die Ausdrücke der Sprache gebildet werden können. Die Semantik
legt die Bedeutung oder Funktion der Ausdrücke fest.
Die Sprache der Aussagenlogik ist sowohl hinsichtlich ihrer Syntax als auch ihrer
Semantik eine sehr einfache Sprache. Sie bildet jedoch die Grundlage für die sehr
viel ausdrucksfähigere und für die Linguistik bedeutsamere Prädikatenlogik,
die im nächsten Kapitel behandelt wird. Von daher ist es wichtig, die Grundlagen
der Aussagenlogik zu kennen.
3.2. Syntaktische Regeln
Wir können die Aussagenlogik zunächst als ein Kalkül in
dem in Kapitel 2. definierten Sinne auffassen. Ausgehend von einem
Inventar von Grundelementen (dem Vokabular)
ist durch Regeln genau festzulegen, welche der aus den Grundelementen
bildbaren Zeichenketten zulässig oder ‘wohlgeformt’
sind und welche nicht.
Das Vokabular des Aussagenkalküls besteht aus folgenden
Elementen:
-
Aussagenvariable: p, q, r, s, t …
-
Logische Konstante: ∧, ∨, ¬, ⇒[2]
-
Hilfssymbole: '(', ')', '[', ']',
'{', '}'
Die Regeln, die festlegen, welche Zeichenketten wohlgeformte Ausdrücke des Systems
sind (Formationsregeln), müssen z.B. bestimmen, daß die
Kette (p ⇒ q) ein wohlgeformter Ausdruck ist, während die Kette *(∧ p) q ∨)
kein wohlgeformter Ausdruck ist.
Definition 3.1. Formel
Ein wohlgeformter Ausdruck ist eine Formel.
Formationsregeln
Für die Bestimmung der Formeln des Aussagenkalküls sind die
folgenden einfachen Formationsregeln ausreichend:
Regel 1:
|
eine Aussagenvariable ist eine Formel.
|
Regel 2:
|
ist P eine Formel, dann ist auch ¬P eine
Formel.
|
Regel 3:
|
sind P und Q Formeln, dann sind
a. (P ∧ Q)
b. (P ∨ Q)
c. (P ⇒ Q)
ebenfalls Formeln.
|
Regel 4:
|
Ein Ausdruck ist nur dann eine Formel, wenn er durch
Anwendung der obenstehenden Regeln konstruiert werden
kann.
|
Ableitungsbeispiel:
(1)
|
p
|
Regel 1
|
(2)
|
q
|
Regel 1
|
(3)
|
¬q
|
Regel 2, (2)
|
(4)
|
(p ∧ q)
|
Regel 3a, (1), (2)
|
(5)
|
¬(p ∧ q)
|
Regel 2, (4)
|
(6)
|
(q ∨¬q)
|
Regel 3b, (2), (3)
|
(7)
|
(¬(p ∧ q) ⇒ (q∨¬q))
|
Regel 3c, (5), (6)
|
Die Klammern um die Ausdrücke sind wichtig, weil durch sie die
Reihenfolge der semantischen Auswertung geregelt wird. (Mehr dazu
weiter unten). Dies läßt sich verdeutlichen, wenn man die
Ausdrücke durch Syntaxbäume darstellt.
(3.4.) Syntaxbaum für den Ausdruck (¬(p ∧ q) ⇒
(q∨¬q))
Ähnlich wie in der elementaren Arithmetik, wo Konventionen wie
“Punktrechnung geht vor Strichrechnung” gelten, so
daß z.B. ein Ausdruck wie 2×3 + 4 als
(2×3) + 4 zu lesen ist und somit 2×3 zuerst
berechnet werden muß, hat man auch für die logischen
Konstanten der Aussagenlogik verschiedene Auswertungsprioritäten
festgelegt, welche die Reihenfolge der Auswertung regeln, wenn diese
nicht durch Klammern explizit ausgedrückt ist. So ist z.B. der
Ausdruck a ∧ b ∨ c als
(a ∧ b) ∨ c zu lesen.
Man sagt, der Operator ∧ 'bindet' stärker als der
Operator ∨.
Es gelten folgende Bindungsregeln:
-
¬ bindet stärker als ∧
-
∧ bindet stärker als ∨
-
∨ bindet stärker als ⇒
Berücksicht man diese Bindungsregeln, kann man die
Klammerausdrücke vereinfachen. Die äußerste Klammer
kann in jedem Falle weggelassen werden, d.h. (P) vereinfacht
sich zu P. Zeile (7) der obigen Ableitung vereinfacht sich
dadurch zu ¬(p ∧ q) ⇒ q ∨ ¬q.
3.3. Semantische Regeln
Das durch die Formationsregeln definierte formale System kann mit
einer Semantik verbunden werden, durch die jeder Formel ein Wert
zugewiesen wird, und zwar nach folgenden Regeln (P und Q
sind jeweils Formeln):[3]
Regel 1:
|
eine Variable kann die Werte 1 und 0 annehmen
|
Regel 2:
|
f(P ∧ Q) =
|
1, gdw f(P) = 1 und f(Q) =1
0, sonst
|
Regel 3:
|
f(P ∨ Q) =
|
0, gdw f(P) = 0 und f(Q) = 0
1, sonst
|
Regel 4:
|
f(P ⇒ Q) =
|
0, gdw f(P) = 1 und f(Q) = 0
1, sonst
|
Regel 5a:
|
f(¬P) =
|
0, gdw f(P) = 1
|
Regel 5b:
|
f( ¬P) =
|
1, gdw f(P) = 0
|
Diese Regeln können als eine Charakterisierung der ‘Bedeutung’ der logischen
Konstanten aufgefaßt werden, d.h. Regel 2 definiert die Bedeutung der Konstanten
∧, Regel 3 die der Konstante ∨, etc.
Der Wert einer beliebigen Formel kann nun aus den Werten ihrer
Konstituenten abgeleitet werden. Im folgenden Ausdruck soll gelten: p = 1 und q = 0:
|
¬
|
(p
|
∧
|
q)
|
⇒
|
(q
|
∨
|
¬
|
q)
|
|
1
|
1
|
0
|
0
|
1
|
0
|
1
|
1
|
0
|
|
Schritte:
|
8
|
1
|
5
|
2
|
9
|
3
|
7
|
6
|
4
|
Auf diese Weise können die Werte des Ausdrucks für alle
möglichen Kombinationen der Werte von p und q berechnet werden:
|
¬
|
(p
|
∧
|
q)
|
⇒
|
(q
|
∨
|
¬
|
q)
|
|
0
|
1
|
1
|
1
|
1
|
1
|
1
|
0
|
1
|
|
1
|
1
|
0
|
0
|
1
|
0
|
1
|
1
|
0
|
|
1
|
0
|
0
|
1
|
1
|
1
|
1
|
0
|
1
|
|
1
|
0
|
0
|
0
|
1
|
0
|
1
|
1
|
0
|
|
Schritte:
|
8
|
1
|
5
|
2
|
9
|
3
|
7
|
6
|
4
|
3.4. Interpretation des Aussagenkalküls
Das obige formale System kann auf unterschiedliche Weise interpretiert
werden. Im folgenden handelt es sich um das Aussagenkalkül, wenn
wir die Variable als Aussagen (Propositionen) auffassen. Der Begriff
Aussage ist nicht leicht zu definieren und
Gegenstand kontroverser Auseinandersetzungen in der Philosophie. Es
möge folgende Arbeitsdefinition gelten:
Definition 3.2. Aussage
Eine Aussage ist das, was durch einen
Aussagesatz ausgedrückt wird, wenn wir damit eine Feststellung
über einen Sachverhalt treffen.
Ein Ausdruck bezeichnet eine Aussage nur
dann, wenn er als wahr oder falsch interpretiert werden kann. Der Satz London ist
die Hauptstadt von Uganda z.B. drückt eine Aussage aus, die
falsch ist. Zwei oder mehrere Aussagen können durch
Ausdrücke, die bedeutungsmäßig etwa den Wörtern
'nicht', 'und', 'oder', 'wenn …
dann' entsprechen zu komplexen Aussagen (Aussagenverbindungen)
verknüpft werden. Diese Ausdrücke heißen logische Konstante, Funktoren, Junktoren oder Operatoren. Wir können beispielsweise die
obige Aussage und die durch den Satz London ist die Hauptstadt des
Vereinigten Königreichs zur Aussagenverbindung London ist
die Hauptstadt von Uganda oder London ist die Hauptstadt des
Vereinigten Königreichs verknüpfen.
Allgemein gilt, wenn p und q zwei Aussagen sind, dann
ist die Verknüpfung p ∨ q ebenfalls
eine Aussage, wobei das Zeichen ∨ die logische Konstante
'oder' symbolisiert.
In der Alltagssprache werden Aussagen durch Sätze
ausgedrückt. Ein und dieselbe Aussage kann dabei durch
verschiedene Sätze ausgedrückt werden. So geben z.B. die
folgenden Sätze die gleiche Aussage wieder:
(3.5.) |
(a) Sterben ist menschlich
(b) Jeder Mensch muß sterben
(c) Der Mensch ist sterblich
|
In loser Redeweise nennt man Sätze Aussagen, wenn sie Aussagen
ausdrücken.
Beispiele von Aussagen sind:
(3.6.) |
(a) München liegt am Rhein
(b) 3 ist eine Primzahl
(c) Die Schlange ist ein Vogel
(d) Die Luft ist leichter als Wasser
|
Keine Aussagen sind:
(3.7.) |
(a) Ein Objekt ist schwer
(b) Rot ist besser als gelb
(c) Scher dich zum Teufel
|
Das Aussagenkalkül ist eine mögliche konkrete Interpretation
des obigen formalen Systems, wobei die Variablen Aussagen und die
Formeln Aussagenverbindungen repräsentieren. Die Werte stehen
für die Wahrheitswerte wahr = 1 und
falsch = 0. Die obigen semantischen Regeln definieren
die wahrheitsfunktionalen Eigenschaften der
logischen Konstanten:
Negation:
|
¬P
|
Es ist nicht der Fall daß P, wobei ¬P
falsch ist wenn P wahr ist, und wahr, wenn P
falsch ist
|
Konjunktion:
|
P ∧ Q:
|
Sowohl P als auch Q, wobei
P ∧ Q wahr ist gdw sowohl P
als auch Q wahr sind; andernfalls ist es falsch.
|
Disjunktion:
|
P ∨ Q:
|
Entweder P oder Q, oder beides, wobei
P ∨ Q falsch ist gdw sowohl P
als auch Q falsch ist; andernfalls ist es wahr.
|
Implikation:
|
P ⇒ Q:
|
Wenn P dann Q, wobei
P ⇒ Q falsch ist gdw P wahr
ist und Q falsch; andernfalls ist es wahr.
|
3.5. Aussagenverbindungen
Aussagenverbindungen sind Verknüpfungen
von Aussagen zu komplexen Aussagen. Verknüpfungen von Aussagen
sind Aussagenverbindungen nur dann, wenn sie einen Wahrheitswert
haben, d.h. entweder wahr oder falsch sind. Demnach sind Aussagenverbindungen
selbst Aussagen.
Die Verknüpfung erfolgt durch aussagenlogische Funktoren, denen in der Alltagssprache die Wörter
und, oder, wenn … dann entsprechen. Dabei ist jedoch zu
berücksichtigen, daß die alltagssprachlichen Wörter
nicht eindeutig sind. So hat oder mindestens zwei Bedeutungen:
(a) entweder … oder, oder beides (inklusives oder)
(b) entweder … oder, aber nicht beides (exklusives oder)
Die sprachlichen Mittel einer Wissenschaftsprache müssen jedoch
präzise sein. Sie müssen daher genau definiert werden. Dabei
entspricht die aussagenlogische Bedeutung nicht immer der
alltagssprachlichen. Das ist besonders deutlich bei der sogenannten
Implikation (s.u.).
3.5.1. Konjunktion
Aussagenlogische Funktoren werden durch Wahrheitswerte definiert; es
sind Aussagenfunktionen. Es wird dabei
genau festgelegt, wie der Wahrheitswert einer bestimmten
Aussagenverbindung von den Wahrheitswerten der Einzelaussagen
abhängt. Da es dabei auf den konkreten Inhalt der Aussagen nicht
ankommen soll, ersetzt man die Aussagen durch Aussagenvariable, die durch kleine Buchstaben (p, q,
r…) bezeichnet werden.
Die logische Konjunktion zweier Aussagen
entspricht ungefähr der Verwendung von und.[4]
Der Funktor wird durch das Zeichen ∧ symbolisiert. Sind p
und q zwei Aussagen, so ist auch
p ∧ q eine Aussage, und zwar mit folgenden
Eigenschaften:
Definition 3.3. Konjunktion
Sind P und Q zwei Aussagen, dann ist die Konjunktion
P ∧ Q eine wahre
Aussage genau dann, wenn sowohl P als auch Q wahr ist.
Andernfalls ist sie falsch. Dem entspricht folgende Wahrheitstabelle:
P
|
Q
|
P ∧ Q
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
w
|
f
|
f
|
f
|
f
|
Diese Definition der Konjunktion leuchtet unmittelbar ein. Die
Aussagenverbindung
(3.8.) München liegt an der Isar, und Bonn liegt an der Weser
ist wahr, wenn München wirklich an der Isar und Bonn wirklich an
der Weser liegt. Da Bonn nicht an der Weser liegt, ist diese
Aussagenverbindung falsch.
Da es auf den konkreten Inhalt von Aussagen nicht ankommen soll,
sondern nur auf den Wahrheitswert, ist auch der folgende Satz
aussagenlogisch gesehen, der Ausdruck einer sinnvolle
Aussagenverbindung:
(3.9.) Die Katze ist ein Säugetier und 2 + 2 = 4
Es ist sogar eine wahre Aussagenverbindung, da die beiden
Einzelaussagen ebenfalls wahr sind.
3.5.2. Disjunktion
Die logische Disjunktion zweier Aussagen
entspricht der Verwendung von oder in der Bedeutung
'entweder — oder, oder beides'. Der Funktor wird durch
das Zeichen ∨ symbolisiert. Sind P und Q zwei
Aussagen, dann ist auch P ∨ Q eine Aussage,
und zwar mit folgenden Eigenschaften:
Definition 3.4. Diskunktion
Sind P und Q zwei Aussagen, dann ist die Disjunktion
P ∨ Q eine falsche
Aussage genau dann, wenn sowohl P als auch Q falsch
sind. Andernfalls ist sie wahr. Wahrheitstabelle:
P
|
Q
|
P ∨ Q
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
w
|
f
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
3.5.3. Konditional
Das Konditional (auch Implikation genannt) hat Ähnlichkeit mit der
alltagssprachlichen Verwendung von wenn … dann, sie ist
jedoch nicht damit identisch. In der allgemeinen Verwendung bezeichnet
die wenn dann-Beziehung auch einen Kausalzusammenhang oder eine
notwendige Folge:
(3.10.) Wenn es regnet, wird die Straße naß
(Kausalbezeichnung)
(3.11.) Wenn ein Dreieck gleichwinklig ist, ist es auch gleichseitig
(notwendige Folge)
Das Konditional meint weder einen Kausalzusammenhang noch eine
notwendige Folgerung. Der Funktor für das Konditionel wird durch
das Zeichen ⇒ symbolisiert.
Wenn P und Q zwei Aussagen sind, dann ist auch
P ⇒ Q (lies: P impliziert Q) eine
Aussage, und zwar mit folgenden Eigenschaften:
Definition 3.5. Konditional
Sind P und Q zwei Aussagen, dann ist die
Aussagenverbindung P ⇒ Q eine falsche
Aussage genau dann, wenn P wahr und Q falsch ist.
Andernfalls ist sie wahr.
P
|
Q
|
K ⇒ Q
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
w
|
w
|
f
|
f
|
w
|
Diese Definition des Konditionals bereitet
Verständnisschwierigkeiten, die z.T. daher rühren, daß
die umgangssprachliche Verwendung des Konditionals vom Inhalt der
Einzelaussagen abhängig ist. So behauptet die Definition,
daß P ⇒ Q auch dann wahr ist, wenn
P falsch ist. Beispiel:
(3.12.) Wenn Peter Maria liebt, dann liebt Maria Peter
Man wird zugeben, daß diese Aussage wahr ist, wenn sowohl Peter
Maria als auch Maria Peter liebt. Es leuchtet auch ein, daß die
Aussage falsch ist, wenn zwar Peter Maria liebt, das umgekehrt aber
nicht der Fall ist. Nach der Definition soll die Aussage aber wahr
sein, wenn Peter Maria nicht liebt, gleichgültig, ob Maria Peter
liebt oder nicht. Das will nicht mehr so recht einleuchten.
Daß diese Definition des Konditionals dennoch sinnvoll ist,
zeigt sich im Gesamtsystem der Aussagenlogik. Sie ist für die
Schlußregeln notwendig und führt zu keinen
Widersprüchen.
3.5.4. Negation
Die logische Negation ist keine
Aussagenverbindung im eigentlichen Sinn. Ist p eine Aussage, so ist
die Negation von p die Aussage "es ist nicht der Fall, daß
p". Der Ausdruck "es ist nicht der Fall, daß"
wird durch das Zeichen ¬ symbolisiert.
Ist P eine Aussage, so ist auch ¬P eine Aussage, und
zwar mit folgenden Eigenschaften:
Definition 3.6. Negation
Ist P eine Aussage, dann ist die Negation ¬P wahr,
wenn P falsch ist, und falsch, wenn P wahr ist.
Wahrheitstafel:
Diese Definition leuchtet unmittelbar ein.
3.5.5. Komplexe Aussagenverbindungen
Natürlich gibt es auch Aussagenverbindungen, die aus mehr als
zwei Aussagen bestehen. Man kann sie sich aus Aussagen und einfachen
Aussagenverbindungen zusammengesetzt denken. Wir haben z.B.
formuliert: wenn p und q Aussagen sind, dann ist auch
p ⇒ q eine Aussage. Eine Aussagenverbindung
ist eine Aussage. Man hat damit gleich eine Bildungsregel für komplexe
Aussagenverbindung. p ⇒ q bleibt eine
Aussage, auch wenn man p oder q durch beliebige
Aussagenverbindungen ersetzt. Um den Bezug der Funktoren eindeutig zu
machen, müssen die substituierten Aussagenverbindung
eingeklammert werden. Ersetzt man z.B. q durch q
∨ r, erhält man die komplexe Aussagenverbindung
p ⇒ (q ∨ r). Es gibt jedoch bestimmte
Konventionen für die Bindekraft der Funktoren (s.o.) ¬
—- ∧ — ∨ — ⇒, ¬ bindet am
stärksten, ⇒ am schwächsten. Unter dieser Voraussetzung
kann der Ausdruck auch als
p ⇒ q ∨ r geschrieben
werden.
Für komplexe Aussagenverbindungen gelten somit die gleichen
Wahrheitsbedingungen wie für einfache Aussagenverbindungen.
Die Aussage
p ⇒ (q ∨ r) ist nach
der Definition der Implikation nur dann falsch, wenn p wahr ist
und q ∨ r falsch. Die Aussage
q ∨ r wiederum ist dann falsch, wenn sowohl
q als auch r falsch ist. Folglich ist
p ⇒ (q ∨ r) genau
dann falsch, wenn p wahr ist und q und r falsch.
Durch schrittweise Anwendung der Wahrheitsfunktionen für die
einzelnen Funktoren (z.B. mithilfe der Wahrheitstabellen) lassen sich
die Wahrheitswerte von komplexen Aussagenverbindungen berechnen.
|
p
|
⇒
|
q
|
∨
|
r
|
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
|
w
|
w
|
f
|
w
|
w
|
|
w
|
f
|
f
|
f
|
f
|
|
f
|
w
|
w
|
w
|
w
|
|
f
|
w
|
w
|
w
|
f
|
|
f
|
w
|
f
|
w
|
w
|
|
f
|
w
|
f
|
f
|
f
|
Schritte
|
1
|
5
|
2
|
4
|
3
|
3.5.6. Tautologie und Kontradiktion
Eine wesentliche Aufgabe der Aussagenlogik ist die Untersuchung der
Wahrheitswerte von komplexen Aussagenverbindungen. Dabei interessieren
vor allem zwei Fälle:
-
Aussagenverbindungen, die immer wahr sind,
gleichgültig, welchen Wahrheitswert die Einzelaussagen haben;
diese Aussagenverbindungen werden tautologisch genannt.
-
Aussagenverbindungen, die immer falsch sind; sie werden
kontradiktorisch genannt.
Definition 3.7. Tautologie
Eine Aussagenverbindung ist eine Tautologie,
wenn sie unter allen Interpretationen wahr ist.
Definition 3.8. Kontradiktion
Eine Aussagenverbindung ist eine Kontradiktion, wenn sie unter allen Interpretationen
falsch ist.
Definition 3.9. erfüllbar
Aussagenverbindungen, die weder tautologisch noch kontradiktorisch
sind, heißen erfüllbar oder kontingent.
Eine einfache Tautologie ist z.B.
(3.13.) |
a. Es ist nicht der Fall, daß Hans dumm ist und nicht dumm ist.
b. ¬(p ∧ ¬p)
|
Dagegen ist der folgende Satz eine Kontradiktion:
(3.14.) |
a. Hans ist ehrlich und unehrlich.
b. p ∧ ¬p
|
<
Das ist leicht einzusehen. Eine Konjunktion ist nur wahr, wenn beide
Konjunktionsglieder wahr sind. Ist p wahr, dann ist
¬p falsch; ist p falsch, dann ist ¬p
wahr. Folglich ist p ∧ ¬p immer falsch
und ¬(p ∧ ¬p) immer wahr. Dies
wird auch in der expliziten Berechnung mit Wahrheitsfunktionen
deutlich:
¬
|
(p
|
∧
|
¬
|
p)
|
w
|
w
|
f
|
f
|
w
|
w
|
f
|
f
|
w
|
f
|
Die Kontradiktion der Form p ∧ ¬p spielt in der
Beweisführung der Mathematik eine große Rolle. Das
Verfahren besteht darin, daß man das Gegenteil der zu
beweisenden Aussage annimmt und zeigt, daß diese Annahme zu
einem Widerspruch führt (reduction ad absurdum). Nach dem
gleichen Verfahren läßt sich auch beweisen, ob eine
Aussagenverbindung eine Tautologie bzw. eine Kontradiktion ist.
Es soll z.B. gezeigt werden, daß die folgende Aussagenverbindung
eine Tautologie ist:
(3.15.) |
(p⇒ q∧ q⇒ r) ⇒ (p⇒ r)
(Wenn gilt 'p impliziert q' und 'q impliziert r', dann gilt auch 'p impliziert r'.)
|
Man kann den Beweis dadurch antreten, daß man sämtliche
Wahrheitswertkombinationen durchrechnet (das wären immerhin acht
Fälle). Das entspricht dem wissenschaftlichen Verfahren der Verifikation. Man kann die Behauptung aber auch zu
falsifizieren versuchen.
Eine Aussagenverbindung ist tautologisch, wenn sie immer wahr ist. Wir
nehmen nun an, daß (p ⇒ q ∧ q ⇒ r) ⇒ (p
⇒ r) keine Tautologie ist, d.h. daß sie in mindestens einem
Fall falsch ist. Nach der Definition der Implikation müßte
dann (p ⇒ q ∧ q ⇒ r) wahr und (p ⇒ r) falsch sein.
(3.16.) (p ⇒ q ∧ q ⇒ r)
⇒ (p ⇒ r)
w f f
Nach der Definition der Konjunktion müssen daher
p ⇒ q und
q ⇒ r beide wahr sein. Außerdem
kann p ⇒ r nur dann falsch sein, wenn
p wahr und r falsch ist.
(3.17.) (p ⇒ q ∧ q ⇒ r)
⇒ (p ⇒ r)
w w
w f w f f
Wenn r falsch ist, kann q ⇒ r nur wahr
sein, wenn auch q falsch ist. Wenn q falsch ist, kann
p ⇒ q nur wahr sein. wenn auch p
falsch ist.
(3.18.)(p ⇒ q ∧ q ⇒ r)
⇒ (p ⇒ r)
F w f w f w
f f W f f
Die Annahme , daß (p ⇒ q ∧ q
⇒ r) ⇒ (p ⇒ r) keine Tautologie
ist, hat die Folge, daß p gleichzeitig wahr und falsch
sein müßte. Das ist ein Widerspruch. Folglich ist unsere
Annahme falsch und (p ⇒ q ∧ q ⇒
r) ⇒ (p ⇒ r) ist eine Tautologie.
Eine der Hauptaufgaben der formalen Logik ist es zu untersuchen, unter
welchen formalen Bedingungen logische
Schlüsse gültig sind.
Ein Schluß besteht aus einer Menge von Prämissen, die als wahr angenommen werden und einer
Konklusion, die daraus logisch (d.h.
unabhängig von der Bedeutung der Prämissen) folgen soll. Ein
Schluß ist gültig, wenn es eine entsprechende Aussagenfunktion (Assagenverbindung) gibt, die eine
Tautologie ist. Betrachten wir folgendes Beispiel:
Prämissen:
|
1. Entweder zahlt die Regierung Lösegeld, oder die
Terroristen werden ihre Opfer töten
|
|
2. Die Regierung wird jedoch kein Lösegeld zahlen
|
Konklusion:
|
Folglich werden die Terroristen ihre Opfer töten.
|
Die Frage ist nun, ob dieser Schluß gültig ist, d.h. ob die
Konklusion tatsächlich logisch aus den Prämissen folgt.
Setzen wir p = Die Regierung zahlt
Lösegeld und q = Die Terroristen werden
ihre Opfer töten, dann hat die erste Prämisse die Form
p ∨ q, die zweite die Form ¬p.
Die Konklusion soll aus der Konjunktion der Prämissen folgen,
d.h. aus
(p ∨ q) ∧ ¬p. Der
gesamte Schluß wird also durch die folgende Aussagenverbindung
dargestellt:
(3.19.) (p ∨ q) ∧ ¬p ⇒ q
Mithilfe der Wahrheitsfunktionen der Funktoren läßt sich
die Gültigkeit dieser Formel berechnen:
|
(p
|
∨
|
q)
|
∧
|
¬
|
p
|
⇒
|
q
|
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
w
|
w
|
w
|
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
w
|
w
|
f
|
|
f
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
w
|
w
|
|
f
|
f
|
f
|
f
|
w
|
f
|
w
|
f
|
Schritte
|
1
|
5
|
2
|
7
|
6
|
3
|
8
|
4
|
Wie die Spalte 8 zeigt ist die Aussagenfunktion unter jeder
Interpretation ihrer Variablen wahr und daher eine Tautologie.
Was geschieht nun aber, wenn wir die zweite Prämisse und die
Konklusion jeweils durch ihre Negation ersetzen, d.h. durch Die
Regierung wird Lösegeld zahlen bzw. Die Terroristen werden
ihre Opfer nicht töten?
|
(p
|
∨
|
q)
|
∧
|
p
|
⇒
|
¬
|
q
|
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
w
|
|
w
|
w
|
f
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
|
f
|
w
|
w
|
f
|
f
|
w
|
f
|
w
|
|
f
|
f
|
f
|
f
|
f
|
w
|
w
|
f
|
Schritte
|
1
|
5
|
2
|
6
|
3
|
8
|
7
|
4
|
Wie die Spalte 8 zeigt, ist dies kein gültiger Schluß.
3.5.7. Logische Äquivalenz
Verschiedene aussagenlogische Ausdrücke (Formeln) können
hinsichtlich ihres wahrheitsfunktionalen Verhaltens miteinander
verglichen werden. Dabei interessieren insbesondere solche
Ausdrücke, die unter den gleichen Bedingungen wahr oder falsch
sind. Solche Ausdrücke heißen logisch
äquivalent.
Definition 3.10. logisch äquivalent
Zwei aussagenlogische Formeln P und Q heißen logisch äquivalent (symbolisch:
P ≡ Q) genau dann, wenn sie unter den
gleichen Bedingungen wahr oder falsch sind, d.h. wenn sie für
jede konsistente Bewertung ihrer Elementaraussagen stets den
gleichen Wahrheitswert haben.
Mit anderen Worten: äquivalente Formeln haben die gleichen
Wahrheitstafeln. Die Äquivalenz setzt normalerweise voraus,
daß die Formeln aus den gleichen elementaren Aussagen
zusammengesetzt sind. Mit konsistenter Bewertung ist gemeint,
daß in beiden Formeln einer Elementaraussage nicht verschiedene
Wahrheitswerte zugewiesen werden dürfen.
Beispielsweise sind die Ausdrücke ¬(p ∨ q)
und ¬p ∧ ¬q logisch äquivalent, d.h. es
gilt ¬(p ∨ q) ≡ ¬p ∧
¬q. Der Nachweis erfolgt durch Berechnung der
Wahrheitstafeln.
p
|
q
|
p ∨ q
|
¬(p ∨ q)
|
¬p
|
¬q
|
¬ p ∧ ¬ q
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
f
|
w
|
f
|
w
|
f
|
f
|
w
|
f
|
f
|
w
|
w
|
f
|
w
|
f
|
f
|
f
|
f
|
f
|
w
|
w
|
w
|
w
|
Daraus ist ersichtlich, daß
¬(p ∨ q) und
¬p ∧ ¬q in der Tat die gleichen
Wahrheitstafeln besitzen. Durch diese Äquivalenz wird ein
systematischer Zusammenhang zwischen Negation, Konjunktion und
Disjunktion hergestellt, wenn man noch berücksichtigt, daß
P und ¬¬P (=
¬(¬P))äquivalente Ausdrücke sind.
Die Äquivalenz von Ausdrücken ist ein ganz entscheidendes
Mittel, um systematische formale Zusammenhänge zwischen logischen
Ausdrücken darzustellen. Da äquivalente Ausdrücke
die gleichen Wahrheitstafeln haben, können Teilausdrücke
einer komplexen Formel durch beliebige äquivalente Ausdrücke
ersetzt werden, ohne daß sich der Wahrheitswert des
Gesamtausdrucks ändert. Auf diese Weise können dann
Äquivalenzen zwischen Ausdrücken durch rein formale,
syntaktische Operationen aufgezeigt werden. Mit
- ¬(P ∨ Q) ≡ ¬P ∧ ¬Q
- P 𠪪P
läßt sich die Konjunktion durch die Disjunktion und
umgekehrt die Disjunktion durch die Konjunktion ersetzen.
- ¬(p ∧ q)
- ¬(¬¬p ∧ ¬¬q) mit
{p/¬¬p, q/¬¬q}
- ¬(¬(¬p ∨ ¬q)) mit ¬(P ∨ Q) ≡ ¬P ∧ ¬Q,
wenn P = ¬p und Q = ¬q
- ¬p ∨ ¬ q, wegen P ≡
¬¬P, wenn P = ¬p ∨ ¬q
Damit ist auch gezeigt, daß
¬(P ∧ Q) ≡ ¬P ∨ ¬
Q, und zwar auf rein syntaktischem Weg, ohne die Wahrheitswerte
einzeln zu prüfen.
Die beiden Äquivalenzen
(3.20.) (a) ¬(P ∨ Q) ≡ ¬P ∧
¬Q und
(b) ¬(P ∧ Q) ≡ ¬P ∨
¬Q
die mithilfe der Negation einen systematischen Zusammenhang zwischen
der Konjunktion und der Disjunktion herstellen, sind als die
Gesetze von De Morgan bekannt.
Äquivalenzen zwischen Ausdrücken lassen sich auch per
Definition einführen, wobei jedoch gleichzeitig zusätzliche
syntaktische Mittel eingeführt werden. Man betrachte
beispielsweise den Fall der wechselseitigen Implikation Wenn p dann
q, und wenn q dann p: p ⇒ q ∧ q
⇒ p. Diese Formel hat folgende Wahrheitswerte:
p
|
⇒
|
q
|
∧
|
q
|
⇒
|
p
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
f
|
w
|
w
|
f
|
w
|
w
|
f
|
w
|
f
|
f
|
f
|
w
|
f
|
w
|
f
|
w
|
f
|
Sie hat eine besondere Eigenschaft insofern sie genau dann wahr ist,
wenn die elementaren Teilaussagen jeweils den gleichen Wahrheitswert
aufweisen. Es ist daher sinnvoll, sie als eigenständige
Wahrheitsfunktion zu betrachten und durch einen eigenen Funktor ⇔
zu bezeichnen. Die Funktion P ⇔ Q wird
Bikonditional aber auch Äquivalenz genannt.[5]
Definition 3.11. Bikonditional (Äquivalenz)
Das Bikonditional (die Äquivalenz) ist definiert durch:
P ⇔ Q :⇔ P ⇒ Q ∧
Q ⇒ P
Sind P und Q logische Formeln, so ist das Bikonditional P ⇔ Q eine wahre Aussage, wenn P und Q den gleichen
Wahrheitswert haben, andernfalls ist es eine falsche Aussage.
Dem entspricht folgende Wahrheitstabelle:
P
|
Q
|
P ⇔ Q
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
w
|
f
|
f
|
f
|
w
|
Deutsche Ausdrücke, die dem Bikonditional entsprechen, sind
dann und nur dann wenn, genau dann wenn, gerade dann wenn und
ist eine notwendige und hinreichende Bedingung für.
Durch derart definitorisch eingeführte Äquivalenzen werden
keine neuen Erkenntnisse gewonnen, aber die Ausdrucksfähigkeit
der Sprache erweitert.
In ähnlicher Weise ließe sich das Konditional per
Definition einführen, wobei gilt P ⇒ Q ≡
¬P ∨ Q:
P
|
Q
|
¬P
|
¬P ∨ Q
|
P ⇒ Q
|
w
|
w
|
f
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
f
|
f
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
w
|
w
|
w
|
Es wurde schon darauf hingewiesen, daß eine Voraussetzung
für die Äquivalenz von Ausdrücken ist, daß sie
aus den gleichen Elementaraussagen aufgebaut sind. Beispielsweise
können p ∧ q und
p ∧ r nicht logisch äquivalent sein.
Hingegen sind die Ausdrücke
p ∧ (q ∨ ¬q) und
p ∧ (r ∨ ¬r)
jedoch logisch äquivalent, wie eine Berechnung der
Wahrheitswerte zeigen würde, obwohl sie aus verschiedenen
Elementaraussagen gebildet sind. Dies hängt damit zusammen,
daß q ∨ ¬q und
r ∨ ¬r beides Tautologien sind und
somit unabhängig von den Wahrheitswerten von q und
r stets genau den gleichen Beitrag für die Berechnung der
Wahrheitswerte des Gesamtausdrucks leisten. Wir können allgemein
sagen, daß zwei beliebige Tautologien oder zwei beliebige
Kontradiktionen logisch äquivalent sind, selbst wenn sie nicht
dieselben Elementaraussagen enthalten, da ihre Wahrheitswerte ja
unabhängig von diesen Elementaraussagen sind.
Wie bereits ausgeführt sind logisch äquivalente
Ausdrücke in der Logik von großer Bedeutung, da sie in
jedem Ausdruck beliebig füreinander ersetzt werden können,
ohne dessen Wahrheitsgehalt zu ändern. Dadurch wird es
möglich, aus Ausdrücken auf rein syntaktischem Wege neue
äquivalente Ausdrücke zu bilden.
In der logischen Praxis hat es sich als nützlich erwiesen, ein
Grundinventar von logischen Äquivalenzen quasi als Grundgesetze
zur Verfügung zu haben, aus denen alle anderen abgeleitet werden
können (vgl. Tabelle Abb. 3.3.). Diese Tabelle enthält
gewisse Redundanzen, insofern gewisse Äquivalenzen aus anderen
abgeleitet werden können.
Idempotenz und Komplementarität
Die Gesetze für die Idempotenz und Komplementarität ergeben sich aus den
folgenden Wahrheitstafeln:
P
|
P ∧ P
|
P ∨ P
|
¬P
|
¬¬P
|
P ∨ ¬P
|
P ∧ ¬P
|
w
|
w
|
w
|
f
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
f
|
w
|
f
|
w
|
f
|
P, P ∧ P,
P ∨ P, und ¬¬P haben in der
Tat die gleichen Wahrheitstafeln und sind somit äquivalent.
P ∨ ¬P ist eine Tautologie, was durch
P ∨ ¬P ≡ W
ausgedrückt wird, hingegen ist
P ∧ ¬P eine Kontradiktion:
P ∧ ¬P ≡ F.
Die Konjunktion und Disjunktion sind jeweils assoziative Verknpüfungen, d.h. es kommt nicht auf
die Reihenfolge der Auswertung an. Da
(p ∧ q) ∧ r und
p ∧ (q ∧ r)
äquivalent sind, können die Klammern auch weggelassen
werden: p ∧ q ∧ r.
1) Gesetze der Idempotenz
a) P∨ P≡ P
b) P∧ P≡ P
2) Gesetze der Assoziativität
a)(P∨ Q)∨ R≡ P∨ (Q∨ R)
b) (P∧ Q)∧ R≡ P∧ (Q∧ R)
3) Gesetze der Kommutativität
a) P∨ Q≡ Q∨ P
b) P∧ Q≡ Q∧ P
4) Gesetze der Distributivität
a) P∨(Q∧ R)≡ (P∨ Q)∧ (P∨ R)
b) P∧(Q∨ R)≡ (P∧ Q)∨ (P∧ R)
5) Gesetze der Identität
a) P∨ F≡ P
b) P∨ W≡ W
c) P∧ F≡ F
d) P∧ W≡ P
6) Gesetze der Komplementarität
a) P∨¬ P≡ W
b) ¬¬ P≡ P Gesetz der Negation
c) P∧¬ P≡ F
7) Gesetze von De Morgan
a) ¬(P∨ Q)≡ ¬ P∧ ¬ Q
b)¬(P∧ Q)≡ ¬ P∨ ¬ Q
8) Gesetze für das Konditional
a) P⇒ Q≡ ¬ P∨ Q
b) P⇒ Q≡ ¬(P∧¬ Q)
c) P⇒ Q≡ ¬ Q⇒ ¬ P Gesetz der Kontraposition
9) Gesetze für das Bikonditional
a)P⇔ Q≡(P⇒ Q)∧ (Q⇒ P)
b)P⇔ Q≡(¬ P∧¬ Q)∨(P∧ Q)
Abb. 3.3.
Kommutativität
Die Gesetze der Kommutativität ergeben
sich eigentlich aus der Definition von Konjunktion und Disjunktion:
gleichgültig ob man {P/p, Q/q} oder {P/q, Q/p}
substituiert.
Distributivgesetz
Das Distributivgesetz 4.a. wird durch die
folgenden Wahrheitstafeln verifiziert.
P
|
Q
|
R
|
Q ∧ R
|
P ∨ (Q
∧ R)
|
P ∨ Q
|
P ∨ R
|
(P ∨ Q)
∧ (P ∨ R)
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
w
|
f
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
w
|
f
|
f
|
f
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
w
|
f
|
f
|
f
|
f
|
f
|
f
|
f
|
f
|
f
|
f
|
f
|
f
|
f
|
Gesetze der Identität
Die Gesetze der Identität ergeben sich
wiederum aus der Definition von Konjunktion und Disjunktion.
und
Für die Konjunktion gilt somit: ist Q eine Kontradiktion (F), so
ist die Konjunktion immer falsch, gleichgültig welchen Wert P
hat. Ist Q hingeben eine Tautologie (W), so ist der Wahrheitswert der
Konjunktion ausschließlich von P abhängig.
Für die Disjunktion gilt: ist Q eine Tautologie (W), so ist die
Disjunktion immer wahr, gleichgültig welchen Wert P hat. Ist Q
hingegen eine Kontradiktion (F), so ist der Wahrheitswert der
Disjunktion ausschließlich von P abhängig.
Gesetze für das Konditional
Das Gesetz 8.a. ist bereits auf S. 28 durch Wahrheitstafeln
verifiziert worden. Die übrigen Gesetze lassen sich durch
Umformung ableiten, z.B.:
Zeile
|
Formel
|
aus Zeile(n)
|
durch Gesetz
|
(1)
|
P⇒ Q
|
|
|
(2)
|
¬ P∨ Q
|
(1)
|
8.a.
|
(3)
|
¬ P∨ ¬¬ Q
|
(2)
|
6.b. Negation
|
(4)
|
¬(P∧ ¬ Q)
|
(3)
|
7.b. De Morgan
|
Folglich:
|
P⇒ Q≡ ¬(P∧¬ Q)
|
|
|
Zeile
|
Formel
|
aus Zeile(n)
|
durch Gesetz
|
(1)
|
P⇒ Q
|
|
|
(2)
|
¬ P∨ Q
|
(1)
|
8.a.
|
(3)
|
Q∨ ¬ P
|
(2)
|
3.a. Kommutativität
|
(4)
|
¬¬ Q∨¬ P)
|
(3)
|
6.b. Negation
|
(5)
|
¬ Q⇒¬ P
|
(4)
|
8.a.
|
Folglich:
|
P⇒ Q≡ ¬ Q⇒¬ P
|
|
|
Gesetze für das Bikonditional
Gesetz 9.a. gilt per Definition. Der Beweis von Gesetz 9.b.
könnte wie folgt aussehen.
Zeile
|
Formel
|
aus
|
durch Gesetz
|
(1)
|
P⇔ Q
|
|
|
(2)
|
(P⇒ Q)∧(Q⇒ P)
|
(1)
|
9.a.
|
(3)
|
(¬ P∨ Q)∧(¬ Q∨ P)
|
(2)
|
8.a.
|
(4)
|
((¬ P∨ Q)∧¬ Q)∨ ((¬ P∨ Q)∧ P)
|
(3)
|
4.b. Distributivität
|
(5)
|
((¬ P∧¬ Q)∨ (Q∧¬ Q))∨ ((¬
P∧ P)∨ (P∧ Q))
|
(4)
|
4.b. Distributivität
|
(6)
|
((¬ P∧¬ Q)∨ F)∨ (F∨ (P∧ Q))
|
(5)
|
6.c. Komplementarität
|
(7)
|
(¬ P∧¬ Q)∨ (P∧ Q)
|
(6)
|
5.a. Identität
|
Wir wollen nun noch einmal auf den Zusammenhang zwischen
Äquivalenz und Bikonditional zu sprechen kommen. Wir haben
gesagt, daß zwei Aussagen P und Q dann äquivalent sind,
wenn sie unter den gleichen Bedingungen wahr oder falsch sind. Das
bedeutet aber, daß sie immer nur gleichzeitig wahr oder
gleichzeitig falsch sein können: f(P)=f(Q). Aus der Definition
des Bikonditionals
ergibt sich jedoch, daß es genau in diesen Fällen den Wert
wahr erhält. Wir kommen damit zu folgendem Theorem:
Theorem 3.1
Für beliebige Aussagen P und Q gilt: P und Q sind logisch
äquivalent (P ≡ Q) genau dann, wenn
P ⇔ Q eine Tautologie ist.
Zur Illustration soll dies für die Äquivalenz P ⇒ Q
≡ ¬ P ∨ Q demonstriert werden:
P
|
Q
|
P ⇒ Q
|
¬P
|
¬P ∨ Q
|
(P ⇒ Q)
⇔ (¬P
∨ Q)
|
w
|
w
|
w
|
f
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
f
|
w
|
f
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
w
|
w
|
w
|
w
|
Da die Wahrheit einer Tautologie unabhängig von der Wahrheit
ihrer Elementaraussagen ist und ausschließlich von der formalen
Struktur abhängt, kann man diese Elementaraussagen durch
beliebige andere Aussagen ersetzen, ohne daß sich am Status der
Tautologie etwas ändert, vorausgesetzt daß die Ersetzung
konsistent erfolgt. Ist P ⇔ Q eine
Tautologie, so ist auch P' ⇔ Q'
eine Tautologie, wenn P' und Q' durch
konsistente Substitution aus P bzw. Q hervorgehen. Wenn
man in unserem Beispiel:
(p ⇒ q) ⇔ (¬p ∨
q) beispielsweise p durch
r ∨ s und q durch ¬s
ersetzt, erhält man die Tautologie
((r ∨ s) ⇒ ¬s) ⇔ (¬(
r ∨ s) ∨ ¬s) und
somit die logische Äquivalenz
((r ∨ s) ⇒ ¬s) ≡ (¬(
r ∨ s) ∨ ¬s).
3.6. Logisches Schließen
Die eigentliche Aufgabe der formalen Logik ist es, die Gesetze des
logischen Schließens zu untersuchen. Dabei geht es wiederum
wesentlich darum zu zeigen, inwieweit die Gültigkeit eines
Schlusses sich allein aus seiner Form ergibt.
Definition 3.12. Schluß
Ein Schluß beteht aus einer Menge von
Aussagen {P1,…,Pn}, den Prämissen, die als wahr vorausgesetzt werden, und
einer weiteren Aussage K, der Konklusion,
deren Wahrheit notwendig aus der Wahrheit der Prämissen folgen
soll.
Beispiel:
Prämissen:
|
|
Wenn Sokrates ein Mensch ist,
so ist er sterblich.
|
|
|
Sokrates ist ein Mensch
|
Konklusion:
|
∴
|
Sokrates ist sterblich.
|
Das Zeichen ∴ steht für also und kennzeichnet die
Konklusion.
Definition 3.13. Schlußschema
Ein Schlussschema ist eine Schlußform,
in der anstelle von Aussagen Aussagenvariable stehen.
Ein Schluß ist dann eine Instanz (ein
"Einsetzungsbeispiel") eines Schlußschemas, wenn alle
Variablen konsistent durch Aussagen ersetzt werden. Unser Beispiel ist
eine Instanz des folgenden Schlußschemas, mit den Substitutionen
{p/Sokrates ist ein Mensch, q/Sokrates ist sterblich}
(3.21.) p ⇒ q
p
∴ q
3.6.1. Logische Implikation
Ein Schluß ist dann gültig, wenn die Konklusion aus den
Prämissen logisch folgt. Man nennt die logische Folge
Implikation.
Definition 3.14. logische Implikation
Eine Aussage K ist die logische
Implikation einer Menge von Aussagen
=
{P1,…,P n} (symbolisch 
K gdw. P1 ∧ P2
∧ … ∧ Pn ⇒ K eine
Tautologie ist.
Definition 3.15. Gültigkeit
Ein Schlußschema aus den Prämissen
= {P
1,…,Pn} und der Konklusion
K ist gültig gdw.
K, d.h. wenn
das Konditional P1 ∧ P2 ∧
… ∧ Pn ⇒ K eine Tautologie
ist; andernfalls ist das Schlußschema nicht
gültig.
Definition 3.16. gültiger Schluß
Ein Schluß ist gültig, wenn er die Instanz eines
gültigen Schlußschemas ist.
Um die Gültigkeit eines Schlußschemas zu beweisen, gilt es
also zu zeigen, daß das Konditional aus der Konjunktion der
Prämissen und der Konklusion eine Tautologie ist. In unserem
Beispiel müßte also gezeigt werden daß
(p ⇒ q) ∧ p) ⇒
q tautologisch ist.
Ein sicheres Verfahren, das immer zum Ziel führt, besteht in der
Berechnung der Wahrheitswerte:
p
|
q
|
p ⇒ q
|
(p ⇒ q)
∧ p
|
((p ⇒ q)
∧ p)⇒ q
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
w
|
f
|
w
|
w
|
f
|
w
|
f
|
f
|
w
|
f
|
w
|
Aufgabe: Es soll überprüft werden, ob der folgende
Schluß gültig ist:
(3.22.) Wenn Hans Meier ein Konservativer ist,
dann ist er für die Privatisierung der Müllabfuhr
Hans Meier ist für die Privatisierung der
Müllabfuhr
∴ Hans Meier ist ein Konservativer
Dies ist eine Instanz des folgenden Schlußschemas
(3.23.) p ⇒ q
q
∴ p
Dieses Schema wäre gültig, wenn (p ⇒ q)
∧ q ⇒ p eine Tautologie wäre. Die
Wahrheitstabelle dazu lautet:
p
|
q
|
p ⇒ q
|
(p ⇒ q)
∧ q
|
((p ⇒ q)
∧ q)⇒ p
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
w
|
f
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
w
|
f
|
w
|
(p ⇒ q) ∧ q ⇒ p ist nicht
tautologisch und das zugrunde liegende Schlußschema somit nicht
gültig.
Obwohl die Gültigkeit eines Schlußschemas
grundsätzlich immer durch Wahrheitstafeln überprüft
werden kann, so ist dies doch oft zu umständlich, insbesondere
wenn ein Schlußschema sehr viele verschiedene Aussagenvariable
enhält. Für n verschiedene Aussagenvariable
benötigt man 2n Zeilen in der Wahrheitstafel. Das
folgende Beispiel würde also eine Wahrheitstafel mit
25=32 Zeilen erfordern:
(3.24.) |
p ⇒ q
p ∨ s
q ⇒ r
s ⇒ t
∴ t
|
Im folgenden soll daher ein Verfahren beschrieben werden, das bei
mehreren Variablen im allgemeinen schneller zum Ziel führt als
die Methode der Wahrheitstafeln und im Gegensatz zum Beweis durch
Ableitung (s.u.) mechanisch ausgeführt werden kann. Das Verfahren
besteht darin, daß man die zu überprüfenden Formeln
durch Äquivalenztransformationen auf wohlbestimmte Normalformen
bringt, aus denen man sofort erkennen kann, ob eine Tautologie, eine
Kontradiktion oder eine Kontingenz vorliegt. Dabei spielen die
folgenden Äquivalenzen eine Rolle:
(3.25.) |
(1) p ∨ ¬p ≡ W
(2) p ∨ W ≡ W
(3) p ∧ ¬p ≡ F
(4) p ∧ F ≡ F
(5) p ∧ W ≡ p
(6) p ∨ F ≡ p
|
Beispiele für solche Normalformen sind:
(3.26.) (1.a) (p ∨ ¬ p ∨ q) ∧ (¬p& ∨ q ∨ r
∨ ¬r) ∧ (q ∨ ¬q)
(1.b) (p ∨ q ∨ ¬q) ∧ (p ∨ q ∨ r) ∧ (q ∨
¬p)
(2.a) (p ∧ ¬p) ∨ (q ∧ ¬p ∧ ¬q) ∨ (p
∧ r ∧ ¬r)
(2.b) (p ∧ ¬q) ∨ (q ∧ ¬ ) ∨ (p ∧ ¬p
∧ r)
Dabei sind (1.a) und (1.b) Konjunktionen von Disjunktionen und (2.a)
und (2.b) Disjunktionen von Konjunktionen.
Die Formel (1.a) ist eine Tautologie. Die 3 Konjunktionsglieder sind
alle tautologisch, weil in jeder Disjunktion ein Teilausdruck der Form
P ∨ ¬P (Äquivalenz (1)) vorkommt
und damit wegen
P ∨ W ≡ W die
Disjunktion als ganzes zur Tautologie macht. Die Formel (1.b) hingegen
ist keine Tautologie, weil sie kontingente Konjunktionsglieder
enthält.
Beispiel (2.a) hingegen ist eine Kontradiktion, da jedes
Disjunktionsglied einen Teilausdruck der Form
P ∧ ¬P enthält und somit nach
Äquivalenz (3) unerfüllbar ist.
Die beiden Formeln (1.a) und (1.b) sind Beispiele für die konjunktive Normalform, die Formeln (2.a) und (2.b)
sind Beispiele für die disjunktive
Normalform. Wir werden uns im folgenden auf die konjunktive
Normalform beschränken.
Definition 3.17. Literal
Ein Literal ist eine Aussagenvariable
(positives Literal) oder die Negation einer Aussagenvariable
(negatives Literal).
Die Formeln p und ¬p sind Literale.
Definition 3.18. Klausel
Eine Formel ist eine Klausel, wenn sie aus
einer Disjunktion von Literalen besteht:
L1∨
L2 ∨ … ∨ Ln
Die Formel p ∨ q ∨ ¬r ist eine Klausel,
die Formel p ∧ q ∨ ¬r ist keine
Klausel.
Definition 3.19. konjunktive Normalform
Eine Formel hat die konjunktive Normalform,
wenn sie aus einer Konjunktion von Klauseln besteht.
Beispiele:
-
(p ∨ ¬p) ∧ (q ∨ r ∨
¬q) mit den Klauseln p ∨ ¬p und
q ∨ r ∨ ¬q
-
(¬p ∨ q ∨ r ∨
¬r) ∧ (q ∨ r) ∧
(¬q ∨ p) mit den Klauseln
¬p ∨ q ∨ r ∨ ¬r,
q ∨ r und ¬q ∨ p
Theorem 3.2
Eine Formel in der konjunktiven Normalform ist eine Tautologie gdw. in
jeder Klausel eine Aussagenvariable als positives und negatives
Literal vorkommt.
Beweis: Jede Klausel hat die Form
(p ∨ ¬p ∨ Q), wobei
Q eine beliebige Disjunktion von Literalen ist. Das ist jedoch
eine Tautologie wegen
p ∨ ¬p ≡ W und
p ∨ W ≡ W. Wir erhalten somit eine
Konjunktion von Tautologien, und das ist eine Tautologie.
Jede Formel läßt sich durch Substitution mit
Äquivalenzen in die konjunktive Normalform transformieren.
-
Beseitigung des Bikonditionals (Bikond):
p ⇔ q ≡ (p ⇒ q) ∧
(q ⇒ p)
-
Beseitigung des Konditionals (Kond):
p ⇒ q ≡ ¬p ∨ q
-
Skopus der Negation verringern (De Morgan):
¬(p ∧ q) ≡ ¬p ∨
¬q
¬(p ∨ q) ≡ ¬p ∧
¬q
-
Doppelte Negation beseitigen (Neg):
¬¬p ≡ p
-
Konjunktion nach außen ziehen (Distributivgesetz der
Disjunktion: Distrib):
p ∨ (q ∧ r) ≡ (p ∨
q) ∧ (p ∨ r)
-
Gegebenenfalls Anwendung von Kommutativ- und Assoziativgesetzen
(Komm, Assoz):
-
Gegebenenfalls Vereinfachungen (Vereinf):
a. p ∧ p ≡ p
b. p ∨ p ≡ p
Beispiel: Es soll gezeigt werden, daß folgendes
Schlußschema gültig ist:
(3.27.) p ∨ q
¬p
∴ q
Dies ist dann der Fall, wenn (p ∨ q) ∧
¬p ⇒ q tautologisch ist:
Formel
|
Umformung mit
|
(p ∨ q) ∧ ¬p ⇒ q
|
|
¬[(p ∨ q) ∧ ¬p] ∨ q
|
Kond
|
[¬(p ∨q)∨ ¬¬p]∨ q
|
De Morgan
|
[¬(p ∨ q) ∨ p] ∨ q
|
Neg
|
[(¬p ∧ ¬q) ∨ p] ∨ q
|
De Morgan
|
[p ∨ (¬p ∧ ¬q)] ∨ q
|
Komm.
|
[(p ∨ ¬p) ∧ (p ∨ ¬q)] ∨ q
|
Distrib.
|
q ∨[(p ∨ ¬p) ∧ (p ∨ ¬q)]
|
Komm
|
[q ∨ (p ∨ ¬p)] ∧ [q ∨ (p ∨ ¬q)]
|
Distrib
|
(q ∨ p ∨ ¬p) ∧ (q ∨ p ∨ ¬q)
|
Assoz
|
In der ersten Klausel kommen p und ¬p, in der
zweiten q und ¬ q vor, folglich ist die Formel tautologisch.
Es soll gezeigt werden, dass die Formel (p ⇒ q) ⇔
¬p ⇒ ¬q) eine Tautologie ist.
Formel
|
Umformung mit
|
(p ⇒ q) ⇔ (¬q ⇒ ¬p)
|
|
(¬p ∨ q) ⇔
(¬¬q ∨ ¬p)
|
Kond
|
(¬p ∨ q) ⇔ (q ∨ ¬p)
|
Neg
|
[(¬p ∨ q) ⇒ (q ∨ ¬p)] ∧ [(q ∨
¬p) ⇒ (¬p ∨ q)]
|
Bikond
|
[¬(¬p ∨ q) ∨ (q ∨ ¬p)] ∧ [¬(q
∨ ¬p) ∨ (¬p ∨ q)]
|
Kond
|
[(¬¬p ∧ ¬q) ∨ (q ∨ ¬p)] ∧
[(¬q ∧ ¬¬p) ∨ (¬p ∨ q)]
|
De Morgan
|
[(p ∧ ¬q) ∨ (q ∨ ¬p)] ∧ [(¬q
∧ p) ∨ (¬p ∨ q)]
|
Neg
|
{[p ∨ (q ∨ ¬p)] ∧ [¬q ∨ (q ∨
¬p)]} ∧ {[¬q ∨ (¬p ∨ q)] ∧ [p
∨ (¬p ∨ q)]}
|
Distrib
|
[(p ∨ q ∨ ¬p) ∧ (¬q ∨ q ∨ ¬p)]
∧ [(¬q ∨ ¬p ∨ q) ∧ (p ∨
¬p& ∨ q)]
|
Assoz
|
(p ∨ q ∨ ¬p) ∧ (¬q ∨ q ∨ ¬p)
∧ (¬q ∨ ¬p ∨ q) ∧ (p ∨ ¬p
∨ q)
|
Assoz
|
Die letzte Zeile der Ableitung ist in konjunktiver Normalform. In
jeder Klausel kommt eine Aussagenvariable sowohl als positives als
auch als negatives Literal vor. Somit haben wir es nach Theorem 3.2
mit einer Tautologie zu tun.
3.6.3. Schlussregeln
Ein weiteres Verfahren, die Gültigkeit eines Schlusses zu
beweisen besteht in der Zurückführung des Schlusses auf
eine Kette von gültigen Schlüssen. Jede neue Formel, die aus
den Prämissen gültig abgeleitet werden kann, sei es durch
eine Äquivalenztransformation, oder als Konklusion eines als
gültig erwiesenen Schlußschemas, kann als zusätzliche
Prämisse im weiteren Beweisgang verwendet werden.
Ähnlich wie bei den Äquivalenztransformationen ist es
nützlich, sich einen Vorrat an gültigen Schlußschemata
als Schlußregeln anzulegen.
|
Schlußregel
|
|
Beispiel
|
|
|
|
Modus Ponens (Abtrennungsregel) (M.P)
|
|
p ⇒ q
|
|
Wenn Jumbo ein Elefant ist, dann ist er ein Säugetier
|
|
p
|
|
Jumbo ist ein Elefant
|
∴
|
q
|
∴
|
Jumbo ist ein Säugetier
|
|
|
|
Modus Tollens (M.T.)
|
|
p ⇒ q
|
|
Wenn Jumbo ein Elefant ist, dann ist er ein Säugetier
|
|
¬q
|
|
Jumbo ist kein Säugetier
|
∴
|
¬p
|
∴
|
Jumbo ist kein Elefant
|
|
|
|
Kettenregel (K.R.)
|
|
p ⇒ q
|
|
Wenn Hans ein Bayer ist, dann ist er ein Deutscher
|
|
q ⇒ r
|
|
Wenn Hans ein Deutscher ist, dann ist er ein Europäer
|
∴
|
p ⇒ r
|
∴
|
Wenn Hans ein Bayer ist, dann ist er ein Europäer
|
|
|
|
Resolution (Res.)
|
|
p ∨ q
|
|
Der Anlaut ist stimmlos oder der Vokal ist gerundet
|
|
¬p ∨ r
|
|
Der Anlaut ist nicht stimmlos oder der Auslaut ist ein
Konsonant
|
∴
|
q ∨ r
|
∴
|
Der Vokal ist gerundet oder der Auslaut ist ein Konsonant
|
|
|
|
Modus Tollendo Ponens (M.T.P)
|
|
p ∨ q
|
|
Dieser Satz ist ein Aussagesatz oder ein Fragesatz
|
|
¬p
|
|
Der Satz ist kein Aussagesatz
|
∴
|
q
|
∴
|
Der Satz ist ein Fragesatz
|
|
|
|
Vereinfachung (V.)
|
|
p ∧ q
|
|
[p] ist labial und [k] ist velar
|
∴
|
p
|
∴
|
[p] ist labial
|
|
|
|
Konjunktion (K.)
|
|
p
|
|
Hans ist dumm
|
|
q
|
|
Fritz ist gescheit
|
∴
|
p ∧ q
|
∴
|
Hans ist dumm und Fritz ist gescheit
|
|
|
|
Addition (Add.)
|
|
p
|
|
'der Baum' ist ein Syntagma
|
∴
|
p ∨ q
|
∴
|
'der Baum' ist ein Syntagma oder 'Baum'
ist ein Morphem
|
Abtrennregel
Die am häufigsten verwendete Schlußregel ist die Abtrennregel mit dem traditionellen Namen modus
ponens (genauer modus ponendo ponens) und hat die Form
Die Gültigkeit dieses Schlusses setzt voraus, daß die
Formel (p ⇒ q) ∧ p ⇒ q eine
Tautologie ist. Dies kann auf verschiedene Weise gezeigt werden.
1. Durch eine Wahrheitstafel
p
|
q
|
p ⇒ q
|
(p ⇒ q) ∧ p
|
(p ⇒ q) ∧ p ⇒ q
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
w
|
f
|
f
|
f
|
w
|
f
|
w
|
w
|
f
|
w
|
f
|
f
|
w
|
f
|
w
|
2. Indirekt durch die Annahme, daß die Formel nicht tautologisch
sei, wobei die Berechnung der Wahrheitswerte zu einem Widerspruch
führt
(
|
p
|
⇒
|
q
|
)
|
∧
|
p
|
⇒
|
q
|
|
w
|
w
|
w
|
|
w
|
w
|
f
|
f
|
Die Annahme, daß der Schluß keine Tautologie ist,
führt zu dem Widerspruch, daß q gleichzeitig wahr
und falsch sein müßte.
3. Durch Vereinfachung mit Äquivalenztransformationen
Schritt
|
Formel
|
Äquivalenzregel
|
(1)
|
(p ⇒ q) ∧ p ⇒ q)
|
Konditional (8.a)
|
(2)
|
¬[(p⇒ q) ∧ p] ∨ q
|
De Morgan (7.b)
|
(3)
|
[¬(p ⇒ q) ∨ ¬ p] ∨ q
|
Konditional (8.a)
|
(4)
|
[¬(¬ p ∨ q) ∨ ¬ p] ∨ q
|
De Morgan (7.a)
|
(5)
|
[(¬¬ p ∧ ¬ q) ∨ ¬ p] ∨ q
|
Negation (6.b)
|
(6)
|
[(p ∧ ¬ q) ∨ ¬ p] ∨ q
|
Kommutativität (3.a)
|
(7)
|
[¬ p ∨ (p ∧ ¬ q)] ∨ q
|
Distributivität (4.a)
|
(8)
|
[(¬ p ∨ p) ∧(¬ p ∨ ¬ q)] ∨ q
|
Kommutativität (3.a)
|
(9)
|
q ∨ [(¬p ∨ p) ∧ (¬ p ∨ ¬ q) ]
|
Distributivität (4.a)
|
(10)
|
[q ∨ (¬ p ∨ p)] ∧ [q ∨(¬ p ∨ ¬
q)]
|
Assoziativität
|
(11)
|
(q ∨ ¬ p ∨ p) ∧ (q ∨ ¬ p ∨ ¬
q)
|
Kommutativität
|
(12)
|
(q ∨ ¬ p ∨ p) ∧ (¬ p ∨ q ∨¬ q)
|
Komplementarität (6.a)
|
(13)
|
(q ∨ W) ∧ (¬ p ∨ W)
|
Identität (5.b)
|
(14)
|
(q ∨ W) ∧ W
|
Identität (5.d)
|
(15)
|
q ∨ W
|
Identität (5.b)
|
(16)
|
W
|
|
4. Überführung in konjunktive Normalform. Das ist fast
identisch mit dem vorherigen Verfahren. Zeile (11) ist bereits in KNF.
Modus Tollens
Das Schlußschema des modus tollens (genauer modus
tollendo tollens) hat folgende Form (Beispiel s. Tabelle):
Der Beweis erfolgt leicht durch die Äquivalenzregel der
Kontraposition (8.c) und der soeben bewiesenen Abtrennregel:
(1)
|
p ⇒ q
|
Prämisse
|
(2)
|
¬q
|
Prämisse
|
(3)
|
¬q ⇒ ¬p
|
(1), Kontraposition (8.c)
|
(4)
|
¬ p
|
(2), (3), Abtrennregel
|
Kettenregel
Die Kettenregel (auch hypothetischer Syllogismus) hat die Form (Beispiel s.
Tabelle):
(3.30.) |
p ⇒ q
q ⇒ r
∴ p ⇒ r
|
Der Beweis per Wahrheitstafel ist bereits recht umständlich, am
einfachsten ist ein indirekter Beweis über Wahrheitswerte:
(
|
p
|
⇒
|
q
|
)
|
∧
|
(
|
q
|
⇒
|
r
|
)
|
⇒
|
(
|
p
|
⇒
|
r
|
)
|
|
w
|
w
|
w
|
|
w
|
|
f
|
w
|
f
|
|
f
|
|
w
|
f
|
f
|
|
|
5
|
6
|
8
|
|
3
|
|
9
|
7
|
4
|
|
1
|
|
5
|
2
|
4
|
|
Das Konditional ist nur dann falsch (1), wenn die Konklusion falsch
(2) und das Antezedens wahr ist (3). Die Konklusion ist wieder ein
Konditional und kann nur falsch sein, wenn das rechte Glied falsch (4)
und das Antezedens wahr ist (5). Damit sind die Werte für die
Variablen p und r festgelegt. Die Konjunktion (3) kann nur wahr sein,
wenn beide Konjunktionsglieder wahr sind (6 u. 7). Ein Konditional (6)
mit wahrem Antezendens (5) ist wahr, wenn die Konklusion wahr ist (8).
Ein Konditional mit falscher Konklusion ist wahr, wenn das Antezendens
falsch ist (9). Das führt zu einem Widerspruch, denn nun
müßte q gleichzeitig wahr (8) und falsch sein (9). Damit
ist die Annahme, daß die Kettenregel keine Tautologie ist
widerlegt.
Resolution
(3.31.) |
p ∨ q
¬p ∨ r
∴ q ∨ r
|
Beweis:
(1)
|
p ∨ q
|
Prämisse
|
(2)
|
¬p ∨ r
|
Prämisse
|
(3)
|
q ∨ p
|
(1), Kommutativität
|
(4)
|
¬q ⇒ p
|
(3), Konditional
|
(5)
|
p ⇒ r
|
(2), Konditional
|
(6)
|
¬q ⇒ r
|
(4), (5), Kettenregel
|
(7)
|
q ∨ r
|
(6), Konditional
|
Wie wir später sehen werden, spielt diese Schlußregel eine
wesentliche Rolle im Beweisverfahren von Prolog, das
auschließlich auf Resolution beruht.
Modus Tollendo Ponens
Beweis:
(1)
|
p ∨ q
|
Prämisse
|
(2)
|
¬p
|
Prämisse
|
(3)
|
¬¬p ∨ q
|
(1), Negation (6.b)
|
(4)
|
¬p ⇒ q
|
(3), Konditional (8.a)
|
(5)
|
q
|
(2), (4), Abtrennregel
|
Vereinfachung
Beweis:
(1)
|
p ∧ q ⇒ p
|
|
(2)
|
¬(p ∧ q) ∨ p
|
Konditional
|
(3)
|
p ∨ ¬(p ∧ q)
|
Kommutativität
|
(4)
|
p ∨ ¬p ∨ ¬q
|
De Morgan
|
(5)
|
W ∨ ¬q
|
Komplementarität
|
(6)
|
¬q ∨ W
|
Kommutativität
|
(7)
|
W
|
Identität
|
Konjunktion
Beweis:
(1)
|
p ∧ q ⇒ p ∧ q
|
|
(2)
|
¬(p ∧ q) ∨ (p ∧ q)
|
Konditional
|
(3)
|
(p ∧ q) ∨ ¬ (p ∧ q)
|
Kommutativität
|
(4)
|
W
|
Komplementarität
|
(p ∧ q) ∨ ¬(p ∧
q) ist eine Instanz von p ∨ ¬p
mit der Substitution {p/p ∧ q}
Addition
Beweis:
(1)
|
p ⇒ p ∨ q
|
|
(2)
|
¬p ∨ p ∨ q
|
Konditional
|
(3)
|
p ∨ ¬p ∨ q
|
Kommutativität
|
(4)
|
W ∨ q
|
Komplementarität
|
(5)
|
q ∨ W
|
Kommutativität
|
(6)
|
W
|
Identität
|
Aufgabe: Der Butler oder der Koch oder der
Chauffeur hat den Baron umgebracht. Wenn der Koch den Baron umgebracht
hat, dann war der Eintopf vergiftet, und wenn der Chauffeur den Baron
umgebracht hat, dann war eine Bombe im Auto. Der Eintopf war nicht
vergiftet und der Butler hat den Baron nicht umgebracht. Also hat der
Chauffeur den Baron umgebracht.
Überprüfen Sie die Gültigkeit dieses Schlusses.
Es sei
B = Der Butler hat den Baron umgebracht.
K = Der Koch hat den Baron umgebracht.
C = Der Chauffeur hat den Baron umgebracht.
E = Der Eintopf war vergiftet
b = Es war eine Bombe im Auto
Beweis:
(1)
|
B ∨ K ∨ C
|
Prämisse
|
(2)
|
(K ⇒ E) ∧ (C ⇒ b)
|
Prämisse
|
(3)
|
¬E ∧ ¬B
|
Prämisse
|
(4)
|
¬B
|
(3), Vereinf.
|
(5)
|
K ∨ C
|
(1), (4), Modus Tollendo Ponens
|
(6)
|
K ⇒ E
|
(2), Vereinf.
|
(7)
|
¬E
|
(3), Vereinf.
|
(8)
|
¬K
|
(6), (7), Modus Tollens
|
(9)
|
C
|
(5), (8), Modus Tollendo Ponens
|
3.6.4. Der Konditionalbeweis
Unter bestimmten Umständen können Schlüsse, deren
Konklusion ein Konditional als Hauptverknüpfung enthält, mit
der Methode des Konditionalbeweises leichter bewiesen werden.
Angenommen ein Schluß enthält die Aussagen p, q, r,
…, z als Prämissen und m ⇒ n als
Konklusion. In einem Konditionalbeweis wird das Antezedens des
Konditionals (hier also m) als vorläufige Prämisse
hinzugenommen und dann n als Konklusion abgeleitet. Anstatt
(3.36.) |
p
q
r
∶
z
∴ m ⇒ n
|
zu beweisen, beweisen wir
Ein Schlußschema ist dann und nur dann gültig, wenn die
Implikation mit der der Konjunktion der Prämissen als Antezedens
und der Konklusion als Konsequens eine Tautologie ist, in unserem Fall
muß das für (p ∧ q ∧ … ∧
z) ⇒ (m ⇒ n) einerseits und (p
∧ q ∧ … ∧ z ∧ m) ⇒
n andererseits gelten. Die Gültigkeit des
Konditionalbeweises beruht auf der Tatsache, daß diese beiden
Aussagenverbindungen logisch äquivalent sind, wie folgende
Ableitung zeigt:
(1)
|
(p ∧ q ∧ … ∧ z) ⇒ (m ⇒ n)
|
|
(2)
|
¬(p ∧ q ∧ … ∧ z) ∨ (m ⇒ n)
|
(1) Kond.
|
(3)
|
¬(p ∧ q ∧ … ∧ z) ∨ (¬m ∨
n)
|
(2) Kond.
|
(4)
|
(¬(p ∧ q ∧ … ∧ z) ∨ ¬m) ∨
n
|
(3) Assoz.
|
(5)
|
¬((p ∧ q ∧ … ∧ z) ∧ m) ∨ n
|
(4) DeM.
|
(6)
|
((p ∧ q ∧ … ∧ z) ∧ m) ⇒ n
|
(5) Kond.
|
Beispiel:
(3.38.) |
p ⇒ (q ∨ r)
¬r
∴ p ⇒ q
|
Beweis:
(1)
|
p ⇒ (q ∨ r)
|
Prämisse
|
(2)
|
¬r
|
Prämisse
|
(3)
|
p
|
Konditionalbeweis
|
(4)
|
q ∨ r
|
(1),(3), Modus Ponens
|
(5)
|
r ∨ q
|
(4),Kommutativität
|
(6)
|
q
|
(2),(5), Modus Tollendo Ponens
|
(7)
|
p ⇒ q
|
Konditionalbeweis
|
3.6.5. Der indirekte Beweis (Reductio ad absurdum)
Die bisherigen Beweisverfahren gehören all zur Klasse der
direkten Beweise, die durch eine endliche Folge von gültigen
Ableitungsschritten als letzte Zeile einer Ableitung die
Konklusion liefern.
Ein besonders in der Mathematik häufig verwendetes
Beweisverfahren ist der indirekte Beweis,
traditionell auch reductio ad absurdum genannt. Bei einem
indirekten Beweis wird die Negation der zu beweisenden Konklusion als
vorläufige Prämisse hinzugenommen, und zu zeigen versucht,
daß die so entstandene Aussagenmenge zu einem Widerspruch
führt. Wenn die einzelnen Ableitungsschritte zulässig sind,
dann kommt man zu einem Widerspruch dann, wenn eine oder mehrere
Prämissen falsch sind. Da alle ursprünglichen Prämissen
als wahr vorausgesetzt werden, muß die als Prämisse
hinzugenommene Negation der zu beweisenden Konklusion falsch sein.
Somit ist die zu beweisende Konklusion wahr. Betrachten wir dazu
folgendes Beispiel:
(3.39.) |
p ∨ q
q ⇒ r
¬r
∴ p
|
Bei einem indirekten Beweis geht man folgendermaßen vor:
(1)
|
p ∨ q
|
Prämisse
|
|
(2)
|
q ⇒ r
|
Prämisse
|
|
(3)
|
¬r
|
Prämisse
|
|
(4)
|
¬p
|
Indirekter Beweis
|
|
(5)
|
|
q
|
(1),(4) Modus Tollendo Ponens
|
(6)
|
|
r
|
(2),(5) Modus Ponens
|
(7)
|
|
r ∧ ¬r
|
(3),(6) Konjunktion
|
(8)
|
p
|
|
|
Zu beweisen ist p. In Zeile (4) wird die Negation ¬p
vorläufig zu den Prämissen hinzugenommen. Dies führt in
Zeile (7) zu dem Widerspruch r ∧ ¬r.
¬p muß daher falsch sein. Somit ist p wahr.
3.6.6. Das Resolutionsprinzip
Der indirekte Beweis (reductio ad absurdum) hat in den letzten
Jahrzehnten in Verbindung mit dem Schlußschema der Resolution und der konjunktiven
Normalform in der Forschung zum automatischen Beweisen
große Bedeutung erlangt. Dieses sog. Resolutionsprinzip wurde in den sechziger Jahren von
J. A. Robinson (s. Robinson 1965)
begründet.
Dieses Prinzip beruht wie der Name schon sagt auf dem
Schlußschema der Resolution:
(3.40.) |
p ∨ q
¬p ∨ r
∴ q ∨ r
|
Man bezeichnet die Konklusion beim Resolutionsschema als Resolvente.
Der Beweis soll hier der Bequemlichkeit halber noch einmal
aufgeführt werden:
(1)
|
p ∨ q
|
Prämisse
|
(2)
|
¬p ∨ r
|
Prämisse
|
(3)
|
q ∨ p
|
(1), Kommutativität
|
(4)
|
¬q ⇒ p
|
(3), Konditional
|
(5)
|
p ⇒ r
|
(2), Konditional
|
(6)
|
¬q ⇒ r
|
(4), (5), Kettenregel
|
(7)
|
q ∨ r
|
(6), Konditional
|
Der Schluß ist jedoch auch intuitiv einsichtig: Ist p
wahr, dann muß ¬p falsch sein. Wenn nach
Voraussetzung aber ¬p ∨ r wahr sein
soll, und ¬p aber falsch ist, dann muß r wahr
sein. Ist andererseits aber p falsch, dann muß wenn
p ∨ q wahr sein soll, q wahr sein.
Nimmt man beide Möglichkeiten zusammen, so ergibt sich
q ∨ r.
Man kann das Schlußschema des Modus Tollendo Ponens als
Sonderfall der Resolution auffassen:
Mit anderen Worten, die Resolution von
p ∨ q und ¬p hat als Resolvente
q.
(1)
|
p ∨ q
|
Prämisse
|
(2)
|
¬p
|
Prämisse
|
(3)
|
¬p ∨ F
|
Addition
|
(4)
|
q ∨ F
|
Resolution
|
(5)
|
q
|
Identität
|
Ein weiterer Sonderfall ist die Resolution von p und
¬p, die zum Widerspruch führt. Man könnte wie
folgt argumentieren:
(1)
|
p
|
Prämisse
|
(2)
|
¬p
|
Prämisse
|
(3)
|
p ∨ F
|
Addition
|
(4)
|
¬p ∨ F
|
Addition
|
(5)
|
F ∨ F
|
(3),(4) Resolution
|
(6)
|
F
|
Idempotenz
|
Man bezeichnet die Resolvente von p und ¬p mit
.
Voraussetzung für die fruchtbare Anwendung des Resolutionsschemas
ist, daß alle Prämissen Klauselform haben, d.h.
Disjunktionen von Literalen sind. Dazu müssen Formeln
gegebenenfalls in die konjunktive Normalform übersetzt werden.
Die einzelnen Klauseln einer Konjunktion werden zu selbständigen
Prämissen (Vereinfachunsschema).
Das Beweisverfahren ist das des indirekten Beweises, d.h. die Negation
der zu beweisenden Aussage wird zu den Prämissen hinzugenommen.
Es wird dann das Resolutionsschema auf Paare von Aussagen angewandt
und die Resolvente zur Aussagenmenge hinzugefügt, solange bis ein
Widerspruch entsteht oder die Resolution nicht mehr angewandt werden
kann.
Prämissen
|
Übersetzt in Klauselform
|
p ∨ q
|
(1)
|
p ∨ q
|
|
q ⇒ r
|
(2)
|
¬q ∨ r
|
|
¬r
|
(3)
|
¬r
|
|
|
(4)
|
¬p
|
Indirekter Beweis
|
|
(5)
|
¬q
|
(2),(3) Resolution
|
|
(6)
|
p
|
(1),(5) Resolution
|
|
(7)
|
|
(5),(6) Resolution
|
Das Verfahren zum Beweis einer Aussage p nach dem
Resolutionsprinzip auf der Grundlage einer Aussagenmenge
kann wie folgt beschrieben werden:
-
Übersetze alle Aussagen aus
in Klauselform. Die
so erhaltene Klauselmenge sei
.
-
Negiere p, übersetze das Resultat in Klauselform und
füge das Ergebnis zur Klauselmenge
hinzu.
-
Wiederhole die folgenden Schritte solange, bis eine Kontradiktion
gefunden ist, oder erkennbar ist, daß kein Ergebnis erzielbar
ist.
-
Wähle zwei Klauseln K1 und
K2 aus der jeweils gültigen
Klauselmenge
n
derart, daß es ein Literal L gibt, das in einer
der beiden Kauseln positiv, in der anderen negativ vorkommt.
-
Bilde die Resolvente R aus K1 und
K2.
-
Wenn R =
, dann ist ein Widerspruch
gefunden worden. Andernfalls füge R zur
Klauselmenge
n
hinzu.
Nehmen wir als weiteres Beispiel die Aufgabe von Seite.
Prämissen
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Übersetzt in Klauselform
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B ∨ K ∨ C
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(1)
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B ∨ K ∨ C
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(K ⇒ E) ∧ (C ⇒ b)
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(2)
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¬K ∨ E
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(3)
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¬C ∨ b
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¬E ∧ ¬B
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(4)
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¬E
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(5)
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¬B
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(6)
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¬C
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Ind. Bew.
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(7)
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K ∨ C
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(1),(5)
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(8)
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¬K
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(2),(4)
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(9)
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C
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(7),(8)
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(10)
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(6),(9) (Kontrad.)
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Literatur
Allwood, Jens/Andersson, Lars-Gunnar/Dahl, Östen
1973 Logik für
Linguisten. Ins Deutsche übersetzt von Michael Grabski. (=
Romanistische Arbeitshefte 8.) Max Niemeyer Verlag: Tübingen.
Genesereth, Michael R. / Nilsson Nils J.
1987 Logical Foundations of
Artificial Intelligence. Morgan Kaufmann Publishers: Los Altos,
CA.
Heringer, Hans Jürgen
1972 Formale Logik und
Grammatik. (= Germanistische Arbeitshefte 6.) Max Niemeyer Verlag:
Tübingen.
McCawley James D.
1981 Everything that Linguists
have always Wanted to Know about Logic but were ashamed to ask.
Basil Blackwell: Oxford.
Partee, Barbara Hall
1978 Fundamentals of
Mathematics for Linguistics. D. Reidel Publishing Company:
Dordrecht/ London.
Partee, Barbara H./ter Meulen, Alice/Wall, Robert E.
1990 Mathematical Methods in
Linguistics. Kluwer Academic Publishers: Dordrecht/ Boston/London.
[Entstanden aus Partee (1978) und Wall (1973)]
Robinson, J.A.
1965 A Machine-oriented Logic
Based on the Resolution Principle. In: Journal of the Association
for Computing Machinery 12, 23--41.
Suppes, Patrick;
1957 Introduction to Logic.
D. van Nostrand Company: Princeton, N.J./Toronto/London/New York.
Wall, Robert
1973a Einführung in die Logik
und Mathematik für Linguisten. Band 1: Logik und Mengenlehre.
Übersetzt von Wolfgang Klein, Angelika Kratzer und Arnim v.
Stechow. Scriptor Verlag: Kronberg, Ts.
1973b Einführung in die Logik
und Mathematik für Linguisten. Band 2: Algebraische
Grundlagen. Übersetzt von Wolfgang Klein, Angelika Kratzer
und Arnim v. Stechow. Scriptor Verlag: Kronberg, Ts.