Kapitel 7. Grundbegriffe der Graphentheorie
Im anschaulichen Sinne sind Graphen Darstellungen wie die Abbildungen auf den vorangehenden
Seiten. Diese Abbildungen stellen die Struktur von Systemen dar. Im mathematischen
Sinn ist ein Graph jedoch die durch eine zweistellige Relation definierte Struktur
eines Systems, die geometrische Darstellung also nur eine Abbildung eines solchen
Systems.
Definition 7.1. Graph
Ein Graph besteht aus einer Menge M und einer in M definierten zweistelligen
Relation R:
=<M, R>
mit R ⊆ M×M
Beispiel:
M ={A,B,C,D}
R = {<A, B>, <A, C>, <D, C>}
Definition 7.2. Knoten
Ist
= <M, R> ein Graph, dann nennt man die Elemente von M
Knoten des
.
In unserem Beispiel sind die Knoten des Graphen die Elemente A, B, C und
D.
Definition 7.3. Kanten
Ist
= <M, R> ein Graph, dann nennt man ein Element aus R
eine gerichtete Kante von
.
Die gerichteten Kanten in unserem Beispiel sind also die Paare < A, B>,
<A, C> und < D, C>
Ein Graph in diesem abstrakten Sinne kann durch Abbildungen verschiedener Art anschaulich
gemacht werden. So kann man z.B. die Elemente von M×M durch
ein Gitter von Kreisen und die Elemente von R durch Kennzeichnung der entsprechenden
Gitterkreise darstellen.
Abb.7.1.
Beispiel:
M ={ A,B,C,D,E}
R ={ < A,A>,<A,C>,<A,D>,<
A,E>,<B,C>,
<C,A>,<C,B>,<
C,C>,<C,D>,< C,E>,
<D,C>,<E,A>,
< E,B>,<E,C>, <E,E> }
Abb. 7.2.
Aufgabe:
Stellen Sie den Graphen
= <M, R>
M = {1, 2, 3, 4, 5}
R = {<1,1>,<2,2>,<3,3>,<4,4>,<5,5>}
als Gitter dar.
In ähnlicher Weise kann man die Elemente von M×M als ein Netz
von Quadraten darstellen, in dem die Elemente von R besonders gekennzeichnet
werden.
Abb. 7.3. Graph als Gitter
Aufgabe:
Wie lautet der Graph, der Abbildung Abb. 7.3. zugrunde
liegt?
M =
R =
Am häufigsten werden Graphen jedoch wie in Abb. 7.4. dargestellt. Ist
= <M, R> ein Graph, so ordnet man jedem Elemente xi
aus M einen Punkt (Kreis, Quadrat, Dreieck etc.) ai zu.
Man erhält somit eine eineindeutige Abbildung von M auf eine Menge von Punkten
(Kreisen, Quadraten, Dreiecken etc.). Jede Kante < xi, xj>
aus R wird durch einen Pfeil dargestellt, der die den Elementen xi
und xj zugeordneten Punkte f(xi) = ai
und f(xj) = aj miteinander verbindet. Die so
gewonnene Figur ist eine isomorphe Abbildung von
. Dabei können die
den Knoten von
zugeordneten Punkte beliebig auf der Zeichenebene angeordnet werden. Eine besonders
übersichtliche Darstellung erhält man allerdings, wenn man die Knoten nach ihrem
Grad anordnet:
Definition 7.4. Grad eines Knotens
Unter dem Grad eines Knotens soll die Anzahl der verschiedenen Kanten verstanden
werden, in denen der Knoten als erstes oder zweites Element vorkommt.
In dem der Abb. 7.4. zugrunde liegenden Graphen haben
die Knoten folgende Grade:
g(A) = 7, g(B) = 4, g(C) = 9, g(D) = 4, g(E) = 7
Jetzt kann man die Knoten z.B. vom nächsten zum niedrigsten Grad von oben nach unten
anordnen.
Abb. 7.4.
Graphen haben verschiedene Eigenschaften, die von den Eigenschaften der Relationen
abhängen. So ist ein Graph
symmetrisch, wenn R symmetrisch ist, asymmetrisch, wenn R asymmetrisch
ist, und vollständig, wenn R konnex ist.
Besonders wichtig für die Linguistik sind sog. Bäume.
Definition 7.5. Baum
Ein Graph
= <M, R> heißt Baum, wenn er folgende Eigenschaften hat:
- R ist asymmetrisch und intransitiv;
- es gibt genau einen Knoten k, zu dem es keinen Knoten x gibt, so daß
< x, k> eine Kante aus R ist; dieser Knoten heißt
Wurzel.
- Für beliebige Knoten x, y, z aus M gilt: wenn < x, z>
eine Kante ist, dann ist < y, z> keine Kante und umgekehrt.
Bedingung (2) besagt, daß es genau einen Knoten gibt, zu dem keine gerichteten Kanten
hinführen. Bedingung (3) garantiert, daß zu allen anderen Knoten eine und nur eine
Kante hinführt.
Beispiel:
M = { A, N, N',V, V',S}
R = { < N',A>,<N',N>,<V',V>
,<S,N'>,=S, V'>}
Abb. 7.5.
Jeder Baum enthält Knoten, von denen keine Kanten wegführen. Diese Knoten werden
terminale Knoten genannt.
Zu jeder zweistelligen Relation R kann man die konverse Relation R–1
bilden, indem man die geordneten Paare umdreht. Wenn also <x, y> in
R ist, dann ist <y, x> in R−1 und umgekehrt.
Man nennt R−1 Konverse von
R.
Definition 7.6. Konverse
Eine Relation Q ist Konverse von einer Relation R (geschrieben R−1),
wenn gilt:
xy [R(x,y) ⇒
R−1( y, x)]
Die Konverse von 'x ist Vater von y' ist 'y ist
Kind von x' (bzw. 'y hat x zum Vater'). Die Konverse
von 'x schlägt y' ist 'y wird von x geschlagen'.
Entsprechend kann man einen zu
konversen Graphen
–1
bilden.
Definition 7.7. Konverse eines Graphen
Ist
= <M, R> ein Graph, dann ist
–1
= <M, R–1> die Konverse von
.
In der Abbildung eines Graphen wird dabei einfach die Pfeilrichtung umgekehrt. So
sieht z.B. der zu Abb. 7.5. konverse Graph wie folgt aus:
Abb. 7.6.
In der zeichnerischen Darstellung von Baumgraphen kann man die Pfeilspitzen weglassen,
wenn man durch Konvention eine Richtung festlegt. Wir wollen dabei die Richtung
von oben nach unten festlegen. Abb. 7.6. kann dann wie folgt dargestellt werden:
Abb. 7.7.
Wir wollen den zu einem Baum konversen Graphen ebenfalls Baum nennen, wenn keine
Mißverständnisse möglich sind. Nach unserer Konvention müßte dann Abb. 7.7. wie
in Abb. 7.8. dargestellt werden:
Abb.7.8.
Sind in einer Menge M mehrere Relationen R1, R2,
…, Rn definiert, so kann man die jeweiligen Graphen
1 =
<M, R1>,
2 =
<M, R2>, …,
n =
<M, Rn> zu einem Graphen
=
<M, {R1, R2, …, Rn}>
zusammenfassen.
In der konkreten Repräsentation eines solchen zusammengesetzten Graphen müssen dann
allerdings die verschiedenen Relationen durch verschiedene zeichnerische Konventionen
unterschieden werden.
Sei z.B. der der Abb. 7.7. zugrunde liegende Graph gegeben und außerdem der Graph
' mit
R' = {<N',V'>,<A,N>,<N,V>}
dann kann der zusammengesetzte Graph wie folgt dargestellt werden:
Abb. 7.9.
Auch hier kann eine Konvention festgelegt werden, indem man z.B. bestimmt, daß die
zusätzlichen Kanten von links nach rechts angeordnet werden. Die entsprechende Darstellung
ist dann mit Abb. 7.7. identisch.
Literatur