Arbeitskreis "Sprachkontakt und Sprachvergleich" | Eine Schwerpunktinitiative der Universität Bremen | FB10 | Linguistik

Koloniallinguistik

Im Vergleich zu den anderen Schwerpunkten des Projektes stellt das Gebiet Koloniallinguistik eine ganz neue, junge Fachrichtung dar. Es geht in diesem Bereich im Wesentlichen darum, die sprachwissenschaftlichen Werke zu untersuchen, die die Kolonialisten zu den autochthonen Sprachen der Kolonien abgefasst haben.

Für die Linguistik sind diese Werke aus unterschiedlichen Gründen relevant:

  • aus forschungs- bzw. kulturhistorischer Sicht sind die Werke zum Beispiel deshalb interessant, weil sie sehr frühe, teilweise die ersten Beschreibungen der autochthonenen Sprachen darstellen, und diesbezüglich untersucht wird, wer diese Beschreibungen für wen und zu welchem Zweck verfasst hat und wie die dabei eingesetzte Methodologie (beispielsweise die Arbeit mit Muttersprachlern) genau ausgesehen hat,
  • für die Soziolinguistik ist zum Beispiel die Frage interessant, inwieweit die Hegemonieansprüche der Kolonialisten in den sprachwissenschaftlichen Werken Niederschlag fanden, ob und wie also auszumachen ist, wie sich politische Herrschaftststrukturen in den Arbeiten zu den autochthonen Sprachen spiegeln und welche Auswirkungen dieses auf die politisch-soziale Situation in den Kolonien hatte,
  • für die System- und theoretische Linguistik ist zum Beispiel die Frage interessant, wie die damaligen Autoren mit Konstruktionen und Erscheinungen der autochthonen Sprachen umgingen, für die es ihren zeitgenössischen Grammatikmodellen keine Beschreibungsmöglichkeiten gab: wie behandelten die Autoren beispielsweise Phänomene wie Ergativität (Chamorro) oder serielle Verbkonstruktionen (Ewe) auf der Basis ihrer an der Lateingrammatik angelehnten Beschreibungsmodelle?

Diese Fragestellungen zeigen, dass inhaltlich ein enger Zusammenhang zwischen der Kolonial- und der primär in der Romanistik angesiedelten Missionarslinguistik besteht. Der Schwerpunktbereich Koloniallinguistik im Arbeitskreis Sprachkontakt und Sprachvergleich konzentriert sich allerdings auf Arbeiten, die in der kurzen Kolonialepoche des kaiserlichen Deutschlands am Ende des 19. bzw. zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sind somit auf Regionen in Afrika (z.B. das heutige Ghana und Togo) und Ozeanien (z.B. Guam). Er umfasst neben dem Chamorrica-Projekt bis dato drei Arbeitsvorhaben, die sich im Wesentlichen an den drei oben angeführten Fragestellungen orientieren und somit an den sprachwissenschaftlichen Werken aus der Zeit der Kolonien ein relativ breites Spektrum linguistischer Fragestellungen abarbeiten.

Wiewohl die individuellen Schwerpunkte divergieren, ist eine enge Kooperation im Schwerpunktbereich sowie mit den anderen Schwerpunkten des Netzwerkes (hier insbesondere Typologie und Sprachkontakt) geplant, d.h. dass bei diesen Arbeiten von einem Synergieeffekt bei der Erstellung auszugehen ist.

Inneruniversitär sind weiterhin Anknüpfungspunkte mit der Romanistik (Arbeitsgruppe Prof. Zimmermann) und der Germanistik (Arbeitsgruppe Prof. Warnke) vorhanden.