Arbeitskreis "Sprachkontakt und Sprachvergleich" | Eine Schwerpunktinitiative der Universität Bremen | FB10 | Linguistik

Projekte im Schwerpunkt Koloniallinguistik

Der Wandel kategorialer Begriffe in der Beschreibung "exotischer" Sprachen

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Beschreibung

Ein vieldiskutiertes Thema in der modernen Sprachwissenschaft ist die Frage nach der jeweiligen Angemessenheit des für die Beschreibung einer Einzelsprache und – darauf basierend – den Vergleich verschiedener Sprachen verwendeten Beschreibungsmodells: wie gut ist dieses geeignet, um die idiosynkratischen grammatischen Eigenschaften der fraglichen Sprachen zu erfassen, und kann es auch für den übereinzelsprachlichen Vergleich eingesetzt werden? Wie wird dem Problem der Formen- bzw. Kategorienvielfalt menschlicher Sprachen begegnet? Welche Parameter werden für die Etablierung von generalisierenden Klassen (wie z.B. den lexikalischen Kategorien à la Nomen, Verb etc.) oder Relationen (wie z.B. den grammatischen Funktionen à la Subjekt, Objekt) zugrundegelegt?

Genau diese Fragen stellen die Basis für eine Analyse einer Auswahl von Grammatik­beschreibungen dar, die im Zusammenhang mit der deutschen Kolonialisierung für die autochthonen Sprachen der Kolonien erstellt wurden. Dabei sollen primär die folgenden Punkte thematisiert werden:

  1. Auf welcher sprachwissenschaftlichen Grundlage nähern sich die Autoren den 'exotischen' Sprachen?
  2. Wie behandeln die Autoren grammatische Erscheinungen, für deren Beschreibung sie in ihrem Grammatikmodell keine geeigneten Instrumente vorfinden?
  3. Welche Bedeutung hat die Untersuchung dieser Werke für die heutige Linguistik?

Generizität im deutschen Kolonialdiskurs. Formen und Funktionen verallgemeinernden Sprachgebrauchs

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Beschreibung

In diesem Projekt soll ein Textkorpus von Zeitungsartikeln der „Deutsch-Ostafrikanischen Zeitung“ linguistisch analysiert werden, um Zugriff auf sprachlich ausgehandelte Wissensbestände und Überzeugungen des deutschen Kolonialdiskurses – Gewissheiten im Sinne Wittgensteins – zu erhalten. Die Annahme ist, dass solche Gewissheiten im sprachlichen Phänomen der Generizität besonders fassbar sind, d.h. in Verallgemeinerungen über und Charakterisierungen von Individuen und Klassen von Personen und Gegenständen. Die funktionallinguistische Methodik sieht vor, die generischen Sätze im Korpus zu identifizieren und formal und semantisch zu analysieren. Das Ziel des Promotionsprojektes ist es, zu zeigen, wie verallgemeinernder Sprachgebrauch zur Aushandlung von kolonialen Gewissheiten beiträgt und welches diese Gewissheiten sind.


Chamorrica

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Beschreibung

Bei "Chamorrica" handelt es sich um die kommentierte (Re-)Edition und Übersetzung von nicht englischsprachigen Quellen, die zwischen 1668 und 1950 über das Chamorro oder auf Chamorro verfasst wurden.

Chamorro ist die autochthone austronesische Sprache der Marianen und hat dort neben Englisch (und Karolinisch)  kooffiziellen Status. Die Sprache hat derzeit ca. 60000 Sprecher/innen und befindet sich in einer prekären Situation, da sie von der jüngeren Generation nicht mehr voll kompetent beherrscht wird.

Aus der Kolonialperiode sind zahlreiche Texte über das Chamorro auf Latein, Spanisch, Deutsch, Niederländisch, Russisch und Französisch vorhanden. Diese können sowohl von der Chamorrogemeinschaft als auch von Sprachwissenschaftler/innen aus unterschiedlichen Gründen nicht hinreichend rezipiert werden.

Zum einen verfügen die potentiellen Leser/innen in den meisten Fällen nicht über die nötige Sprachkompetenz in den entsprechenden Sprachen. Außerdem sind die Texte aufgrund unterschiedlicher verwendeter Orthographien oder formaler wie inhaltlicher Mängel häufig nur schwer verständlich. Letzteres ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass es sich bei den Autoren genannter Werke um sprachwissenschaftliche Laien (Missionare, Verwaltungsbeamte, Siedler, etc.) handelt. Einige Texte liegen zudem bisher nur als Manuskripte vor.

Durch die Bereitstellung, Übersetzung und Aufarbeitung der genannten Quellen dient Chamorrica dem Spracherhalt und der Revitalisierung des Chamorro, indem der Sprachgemeinschaft Informationen über ihre Sprache und Kultur zur Verfügung gestellt werden, die ihr bisher nicht ohne weiteres zugänglich waren. Dies ermöglicht eine Statusaufwertung der Sprache in der Eigen- und Fremdwahrnehmung der indigenen Gemeinschaft.

Chamorrica dient außerdem verschiedenen sprachwissenschaftlichen Disziplinen (Austronesistik, historische Sprachwissenschaft, Koloniallinguistik), indem es beispielsweise die Korrektur von Fehlinterpretationen ermöglicht, den aktuellen Kenntnisstand zum Chamorro erweitert, und Einblick in die austronesistische Fachgeschichte bietet.


Sprachwissenschaft und Mission in Mikronesien während der deutschen Kolonialzeit

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Beschreibung

Missionare haben in sprachwissenschaftlicher Hinsicht eine große Rolle während der deutschen  Kolonialzeit gespielt, was in der internationalen Missionarslinguistik bislang noch nicht adäquat gewürdigt worden ist. Um die missionarisch-seelsorgerische Arbeit angemessen umzusetzen war es für die Kleriker unumgänglich, die einheimischen Sprachen zu verstehen, sich in ihnen auszudrücken und Texte in ihnen zu verfassen und zu übersetzen. Der dabei entstandene Wissensschatz über die Sprache ist nach dem Ende der deutschen Kolonien nur unzureichend erforscht worden, in manchen Fällen sogar völlig in Vergessenheit geraten. In diesem Dissertationsprojekt werden Biobibliographien verschiedener deutscher  Missionare, u.a. aus dem Kapuzinerorden, rekonstruiert, um einen Überblick über die sprachbezogenen Arbeitsweisen vor, während und nach der eigentlichen Missionstätigkeit zu erstellen. Ziel ist es, den sprachwissenschaftlichen Beitrag der ausgewählten Orden zu beschreiben, allgemeine Schlüsse daraus zu ziehen und in den Gesamtkontext der Koloniallinguistik einzubetten. Folgende Leitfragen liegen der Arbeit zugrunde:

  1. Gab es eine sprachliche Vorbereitung in Deutschland?
  2. Wie war die sprachliche Situation vor Ort?
  3. Gab es Grammatiken und/oder Lehrbücher von Vorgängern?
  4. Welche Sprachdaten sind aus den Kolonien nach Deutschland gelangt?
  5. Wie wurden diese Daten in Deutschland 'verarbeitet'?
  6. Welche wissenschaftliche Qualität hatten die von den Missionaren erstellten Materialien?
  7. Haben diese Materialien Nachwirkung gehabt: a) auf die Befassung mit der Ethnosprache vor Ort und/oder b) in der internationalen Linguistik?