Der Farbwortschatz des Swahili — Msamiati wa Rangi za Kiswahili

D as Swahili verfügt über eine Vielzahl von Ausdrücken (Wörter und Syntagmen) zur Bezeichnung von Farben (vgl. dazu beispielsweise die Farbtabelle unten in Abbildung 5). Die Informationen, die darüber in den gängigen Lehrwerken und Wörterbüchern aber auch im Internet zu finden sind, sind aber meist unbefriedigend und unsystematisch, insbesondere hinsichtlich der Darstellung der grammatischen Eigenschaften der Farbausdrücke. Im Folgenden soll daher der Versuch unternommen werden, eine systematische Grammatik der Farbausdrücke zu entwickeln.

Bei meinen Recherchen wurde ich auf die Arbeit zu den Basic Color Terms (Grundfarbwörter) von Brent Berlin und Paul Kay von 1969 (als Paperback 1991) aufmerksam, in der auch das Swahili Berücksichtigung findet. Es bot sich daher für mich an, deren Ansatz für meinen Versuch zugrunde zu legen.

Grundfarbwörter – Basic Color Terms – Istilahi za rangi za kimsingi

Das Swahili ist eine der zwanzig Sprachen, die von Berlin & Kay (S. 59f) genauer untersucht wurden. In ihrer vergleichenden Studie geht es um die Frage, wie der Farbraum in den verschiedenen Sprachen der Welt mit Hilfe von Wörtern für Grundfarben aufgeteilt wird. Die elf Grundfarben, von denen dabei ausgegangen wird, sind (mit deutschen Bezeichnungen):

Weiß, Schwarz, Rot, Grün, Gelb, Blau, Braun, Lila, Rosa, Orange, Grau.

Abbildung 1: Die 11 Grundfarben nach Berlin & Kay

Die Reihenfolge ist dabei nicht zufällig, sondern stellt in gewissem Sinne eine Hierarchie dar. Allerdings ist die Ordnung nur partiell. Die Ordnungsrelationen haben die Form von implikativen Universalien. So gilt beispielsweise die Regel: wenn eine Sprache eine Farbbezeichnung für Rot hat, dann hat sie auch Bezeichnungen für Weiß und Schwarz , aber nicht umgekehrt. Die Existenz von Rot setzt also die von Weiß und Schwarz voraus.

Dieser Sachverhalt kann folgendermaßen dargestellt werden:

Weiß
Schwarz
<
Rot

Dieses Teilsystem findet sich auch im Swahili. Interessant ist dabei die Tatsache, dass die Wörter nyeupe weiß, nyeusi schwarz und nyekundu rot die einzigen ursprünglichen Farbadjektive im engeren Sinne sind. Sie sind damit monolexematisch, d.h. sie bestehen aus nur einem Wort und entsprechen somit einem wesentlichen Kriterium von Berlin & Kay. Wie wir noch sehen werden, sind alle anderen Farbbezeichnungen entweder aus anderen Sprachen entlehnt, oder aus anderen Bantuausdrücken abgeleitet, beispielsweise mit Bezug auf die Farbe bestimmter Objekte (Naturprodukte, Mineralien, Metalle, etc.)

Die Farben Grün und Gelb setzen die Farbe Rot voraus, d.h. es gilt sowohl rot < grün als auch rot < gelb. Grün und gelb sind aber nicht gegenseitig voneinander abhängig, d.h. eine Sprache die grün hat muss zwar auch rot aufweisen, aber nicht notwendigerweise auch gelb.

Anders verhält es sich mit Blau, das sowohl Grün als auch Gelb voraussetzt, d.h. es gilt blau < grün und blau < gelb.

Die vollständige Ordnung der Grundfarben zeigt folgendes Diagramm:

I
Weiß
Schwarz
<
II
Rot
<
III
Grün
oder
Gelb
<
IV
Gelb
oder
Grün
<
V
Blau
<
VI
Braun
<
VII
Lila
Rosa
Orange
Grau

Abbildung 2: Die Ordnungsstruktur der 11 Grundfarben (nach Berlin & Kay)

Berlin & Kay gehen davon aus, dass diese Ordnungsstruktur nicht nur eine Feststellung über die Distribution in zeitgenössigen Sprachen darstellt, sondern auch die zeitliche Reihenfolge der lexikalischen Kodierung der Grundfarbkategorien in jeder Sprache. Die zeitliche Reihenfolge wird wiederum als als eine Abfolge von Entwicklungsstufen interpretiert (Berlin & Kay, 1969, S.4). Sie unterscheiden dabei insgesamt sieben Entwicklungsstufen (in Abbildung 2 mit den römischen Ziffern I–VII gekennzeichnet). Der Operator < wird dabei durch ersetzt. Für die Farben Grün und Gelb gibt es folglich zwei verschiedene Entwicklungswege:



RotGrünGelbBlau
oder
RotGelbGrünBlau

Abbildung 3: Alternative Entwicklungswege

Die Grundfarbwörter des Swahili

Wenn man von der Vielfalt der Farbbezeichnungen im Swahili insgesamt ausgeht (vgl. unten die Farbtafel aus der Wikipedia in Abbildung 5), müsste man Swahili der Stufe VII zurechnen. Berlin & Kay plädieren jedoch für eine Zuordnung zur Stufe II, mit der Begründung, dass – wie oben schon erwähnt – alle weiteren Farbbezeichnungen entweder Lehnwörter sind oder are descriptive in nature. Diese Auffassung hat sicher einiges für sich. Dafür spricht z.B. auch die Vorkommenshäufigkeit und Verteilung der Grundfarbwörter im Helsinki Corpus of Swahili.

Wenn eine Sprache der Stufe I den Farbraum mit Bezeichnungen für die Grundfarben Weiß und Schwarz in zwei Bereiche aufteilt, dann liegt es auf der Hand, dass deren Bedeutungsumfang erheblich größer ist, als beispielsweise der der entsprechenden deutschen Farbbezeichnungen weiß und schwarz. Das kommt auch durch Etikettierungen wie weiß (hell, warm) vs. schwarz (dunkel, kalt) zum Ausdruck. Dieser Sachverhalt ändert sich nur wenig, wenn auf der Stufe II die Grundfarbe Rot hinzukommt.

In der Tat trifft es zu, dass die Grundfarben nyeupe weiß, nyeusi schwarz und nyekundu rot des Swahili einen recht großen Bedeutungsumfang haben, wie die Definitionen im Wörterbuch von Frederick Johnson zeigen:

-eupe, a. (1) white, of any shade or kind, light-coloured, bright, clear, transparent; (2) clean, clear of all obstruction, open, unoccupied; (3) pure, righteous.

-eusi, a. black (of any shade or kind), dark coloured, gloomy, dim, dusky, dark, including dark shades of blue, green, red &c., colours being grouped according to relative lightness and darkness.

-ekundu, a. red, of all shades and varieties, scarlet, purple, pink &c. Of European complexion, 'fair, fresh, ruddy', of native 'light coloured, reddish, yellow', esp. of Arabs. (-ekundu, -eupe white, and -eusi black, are the only simple adjs. of colour in Swahili, others are supplied by reference to typical objects.)

Für die Beschreibung des Gesamtsystems der Grundfarbausdrücke im Swahili möchte ich daher zwei Teilsysteme unterscheiden, und zwar ein Grundsystem, das der Stufe II von Berlin & Kay entspricht, und ein Erweitertes System, in dem Farbausdrücke unterschiedlicher Herkunft und syntaktischer Strukur zum Einsatz kommen. Die Stufen III und IV werden dabei zusammengefasst:

I
Nyeupe
Nyeusi
II
Nyekundu

Grundsystem
III/IV
Kijani
Njano
V
Buluu

Erweitertes
System
VI
Kahawia
VII
Urujuani
Pinki
Machungwa
Kijivu

Abbildung 4: Grundfarbwörter des Swahili

Die Farbwörter des Erweiterten Systems sind mit Frederick Johnson 1939, Kaumusi ya Kiswahili Sanifu, sowie neueren Wörterbüchern (Nicholas Awde 2000, Cosmo A. Lazaro 2011, Karsten Legère 2006 und TUKI 1996) abgeglichen worden. Das gilt auch für das weiter ausgebaute System in Abbildung 5.

Zusätzlich habe ich noch im Helsinki Corpus of Swahili die Vorkommenshäufigkeit und Verteilung der Grundfarbwörter untersucht. Auffällig ist dabei beispielsweise, dass njano als Bezeichnung für gelb wesentlich häufiger vorkommt als manjano.

Die Grammatik der Farbausdrücke

In den bisherigen Ausführungen ging es nur um die Adjektive und Substantive, die sozusagen die Hauptbedeutungsträger in den Grundfarbausdrücken des Swahili sind. Im Folgenden soll uns die Frage beschäftigen, in welchen grammatischen Konstruktionen diese Wörter wie verwendet werden.

Anmerkung: Als ich für diesen Abschnitt im Internet nach passenden Beispielen für Swahili-Farbausdrücke suchte und dabei die Suchzeichenfolge nguo ya rangi ... eingab, erhielt ich nicht nur Treffer, in denen das Gesuchte enthalten war, sondern stieß zu meiner großen Überraschung auf einen Aufsatz von Thilo C. Schadeberg aus dem Jahr 2000 mit dem Titel Rangi za Kiswahili Farben des Swahili, der mir trotz intensiver Suche bisher entgangen war, vielleicht weil der Artikel in Swahili abgefasst ist.

Das Ziel dieses Artikels ist es, die Farbterminologie des Swahili darzustellen und die semantischen, syntaktischen und morpho­logischen Divergenzen aufzuzeigen. Dazu werden nicht nur die gängigen Wörterbücher konsultiert, sondern auch Informanten aus verschiedenen Regionen befragt. Der Aufsatz schließt mit einem Abschnitt zur Etymologie und Sprachgeschichte der untersuchten Farbterminologie.

Schadebergs Artikel lieferte mir den Großteil der Antworten, nach denen ich bisher vergeblich gesucht hatte, und nimmt ebenfalls die Theorie der Basic Color Terms von Berlin & Kay als Grundlage.

Schadeberg schlägt fünf semantische, morphologische und syntaktische Kriterien für die Klassifikation von Farbausdrücken (FA) vor (Schadeberg 2000:35):

  1. Referiert der FA in seiner Grundbedeutung auf ein Farbe (rangi) oder auf ein Objekt (kitu), das die gemeinte Farbe aufweist?
  2. Ist der FA ein Grundwort oder eine Ableitung?
  3. Is der FA ein Bantu-Adjektiv mit klassenspezifischen Kongruenzpräfixen oder nicht?
  4. In welchen Konstruktionen wird der FA als Attribut verwendet:
    1. nguo FA: ; nguo nyeupe weiße Kleidung; Zabaleta alipewa kadi nyekundu Zabaleta erhielt die rote Karte
    2. nguo ya FA: kitambaa cha kijani (ein) grünes Tuch; ; ...baada ya kuonyesha kadi ya njano ya pili ... nach dem Zeigen der zweiten gelben Karte
    3. nguo ya rangi ya FA: FIFA yapendekeza kadi ya rangi ya machungwa die FIFA empfiehlt eine orange Karte
    4. nguo yenye rangi ya FA: alinunua gari jipya lenye rangi ya pinki sie kaufte ein neues Auto mit der Farbe Rosa
  5. In welchen Konstruktionen wird der FA als Prädikat verwendet?
    1. (nguo hii) ni FA: meno yake ni meupe seine Zähne sind weiß
    2. (nguo hii) ni ya FA: meno yake ni ya njano seine Zähne sind gelb
    3. (nguo hii) ni ya rangi ya FA: Jezi zao ni za rangi ya kijani na nyeupe ihre Trikots sind grün und weiß
    4. (nguo hii) ina rangi ya FA: Miguu yake ina rangi ya kijivu seine Füße sind grau

Die Farbwörter des Grundsystems sind echte Bantu-Adjektive (Stammformen -eupe weiß, -eusi schwarz und -ekundu rot), d.h. sie weisen die klassenspezifischen Kongruenzpräfixe auf. Ihre Zitierformen sind die Formen der Nasalklasse: nyeupe (← ni- + -eupe), nyeusi und nyekundu. Sie können unmittelbar attributiv (als Attribut, z.B. Sio wote wavaao nguo nyeupe ni madaktari Nicht alle die weiße Kleidung tragen sind Ärzte. und prädikativ (als Prädikat, z.B. Ndevu na nywele zilikuwa nyeupe Der Bart und die Haare waren weiß) verwendet werden.

Swahili Farbtabelle

Neue Herausforderungen ergaben sich natürlich durch die Farbtechnologie im Kontext von Mode-, Grafik- und Webdesign. Die Sprache Swahili ist für diese Aufgabe jedoch bestens ausgestattet, wie die folgende Farbpalette aus der swahilisprachigen Wikipedia zeigt:

Abbildung 5: Orodha ya Rangi ‒ Farbtabelle
Quelle: sw.wikipedia.org/wiki/Rangi
Rangi Sampuli Glosse Rangi Sampuli Glosse
Nyeusi A: Schwarz (Grundfarbe) Feruzi N: Türkis
Kijivujivu N:Grau1 Kijani N: Grün8
Majivu N: Asche Zaituni N:Olive
Fedha N: Silber Zumaridi N:Smaragd
Udongo N: Erde Chanikiwiti A,N: Grasgrün9
Kahawia A: Kaffeefarbig2 Ndimu N: Limette
Chokoleti N: Schokolade Manjano N: Gelbwurz
Kutu N: Rost Mahindi N: Mais
Shaba N: Kupfer Dhahabu N: Gold
Hudhurungi N: Hellbraun3 Kaharabu N: Bernstein
Ukaria N:Ocker4 Machungwa N: Orange
Marungi N: Braunschattiert???5 Nyekundu A: Rot (Grundfarbe)
Zambarau N: Pflaume Waridi N: Rose
Urujuani N: Lila6 Pinki A: Pink10
Nili N: Indigo Lulu N: Perle
Buluu A, N: Blau7 Mtindi N: Buttermilch
Samawati N: Himmel Nyeupe A: Weiß (Grundfarbe)

Anmerkungen

1Abgeleitet von jivu, majivu 'Asche';Reduplikation + Diminutiv, auch als kijivu

2Als Adjektiv aus dem Arabischen entlehnt.

3Auch 'hellbraunes Baumwolltuch'; die Frage ist, ob das Tuch nach der Farbe benannt ist, oder die Farbe nach dem Tuch

4In TUKI (1996) als Wiedergabe für ochre Ocker

5In keinem Wörterbuch zu finden! Ansonsten in ornithologischen Kontexten wie zuwakulu kidari-marungi Braunbrust-Bartvogel

6Die Farbe Lila; Lehnwort aus dem Persischen

7Lehnwort aus dem Englischen (blue)

8Abgleitet von jani 'Blatt, Grashalm'

9In Johnson (1939) als Adjektiv ausgezeichnet und entstanden aus ki(j)ani + kiwiti (Variante von kibichi 'frisch' (Gemüse)); in KAMUSI 1981 als Nomen (jina) aufgeführt und als rangi ya kijani kibichi definiert

10Lehnwort aus dem Englischen (pink)