Die Flexion der Substantive der sogenannten Nasalklasse

D ie sogenannte Nasalklasse ist bei weitem das umfangreichste Klassenpaar der Substantive des Swahili. Der Nasalklasse gehören vor allem die meisten Lehnwörter an (vor allem aus dem Arabischen und dem Englischen). Sie ist auch das allgemeine Auffangbecken für neue Wörter, soweit sie nicht nach Swahili-spezifischen Wortbildungsregeln gebildet werden. In diesem Beitrag geht es ausschießlich um grammatische Aspekte und nicht um lexikalisch-semantische, wenn man von der Aussonderung der Klasse der Lebewesen absieht (s.u.).

Zur Bezeichnung Nasalklasse

Nach der klassischen Bantuisten-Zählweise handelt es sich um das Klassenpaar 9/10. Die Bezeichnung Nasalklasse rührt daher, dass die Erbwörter aus dem Bantu in dieser Klasse als Klassenpräfix einen so genannten Nasal aufweisen, der orthographisch als m, n, ny und ng' erscheint. Andere Bezeichnungen für diese Klasse sind n-/n-Klasse, n-Klasse und – weil die meisten Bezeichnungen von Tieren in dieser Klasse versammelt sind – auch Tierklasse.

Die scheinbar gute Nachricht für die wanafunzi wa Kiswahili ist, dass die Substantive der Nasalklasse in der Einzahl und Mehrzahl formal identisch sind. In Ali anapenda mbwa wake beispielsweise kann mbwa wake also sowohl seinen Hund als auch seine Hunde bedeuten. Häufig wird daher in Lehrbüchern und Wörterbüchern so getan, als gäbe es gar kein Präfix. Man muss dann nur die jeweiligen Wörter mit ihren Bedeutungen lernen und braucht sich über die Wortformen weiter keine Gedanken zu machen.

Das sieht zunächst wie eine Vereinfachung aus, ist aber dennoch die falsche Strategie, denn es verschleiert die strukturellen Beziehungen dieser Wörter im Gesamt­wortschatz. So gibt es zu unserem Beispiel mbwa Hund das verwandte Substantiv jibwa (Pl. majibwa) (sehr) großer Hund, was uns nahelegt, mbwa als m- + bwa zu analysieren. Erhärtet wird dies durch die Verkleinerungsform kijibwa kleiner Hund, sowie die Kollektivbezeichnung mabwa Hundemeute, die im Wörterbuch von Sacleux (sv. mbwa) belegt ist.

Alle diese Daten machen deutlich, dass von einer Wurzel bwa Hund auszugehen ist und mbwa als [m-]Präfix[bwa]Wurzel analysiert werden muss.

Weitere diagnostische Kriterien, die heranzuziehen sind:

  1. Konkordanz
  2. Flexion der Adjektive
  3. Pluralbildung der u-Klasse
  4. Wortbildung durch Klassenwechsel

Konkordanz

Wir haben oben ausgeführt, dass die Substantive der Nasalklasse in der Einzahl und Mehrzahl formal identisch sind (z.B. nyoka Schlange(n)). Der Unterschied ist aber dennoch grammatisch relevant, weil die Form abhängiger Elemente wie Adjektive, Pronomina oder Verben dadurch bestimmt sein kann. In der Bantuistik wird diese Art der grammatischen Abhängigkeit als Konkordanz bezeichnet. Dabei kann man im Swahili grundsätzlich zwischen adjektivischer und pronominaler Konkordanz unterscheiden:

Adjektivische Konkordanz

Die adjektivische Konkordanz betrifft Adjektive (-dogo klein, -zuri gut, schön oder -baya schlecht) und adjektivische Elemente wie Zahlwörter (-moja eins, -wili zwei und -tatu drei, etc.) und andere quantifizierende Adjektive wie -chache wenige, -ingi viele, -ingine andere, und -ngapi wie viele.

Beispiele:

  1. vitabu vizuri schöne Bücher, watoto wakubwa große Kinder
  2. miti miwili zwei Bäume, watu watatu drei Personen
  3. wanyama wengi (← wa- + ingi) viele Tiere, magari mengine (← wa- + ingine) andere Autos
  4. Je, una (umri wa) miaka mingapi Wie alt bist du?
Pronominale Konkordanz

Die pronominale Konkordanz betrifft die Pronomina (Demonstrativ-, Possessiv- und Interrogativpronomina), die Relationspartikel -a (wie in wa, ya, cha, za), sowie das Subjektpräfix bei den Verben.

Beispiele:

  1. Demonstrativpronomen: mtoto huyu dieses Kind, mtu yule jener Mensch, walimu hawa diese Lehrer
  2. Possessivpronomen: mwalimu wangu mein Lehrer, kitabu chake sein Buch, jina lako dein Name, nchi yangu mein Land
  3. Interrogativpronomen: -pi welch, was für ein, z.B. mwalimu yupi welcher Lehrer, kitabu kipi welches Buch, nyumba zipi welche Häuser.
  4. Relationspartikel -a: watoto wa (← wa- + a) Ali die Kinder von Ali, kituo cha (← ki- + a) basi Busstation, nyumba ya (← i- + a) mwalimu das Haus des Lehrers, nyumba za (← zi- + a) mfalme die Häuser des Königs
  5. Subjektpräfix: mnyama anakimbia haraka das Tier läuft schnell, watoto wanafurahi die Kinder freuen sich, bilauri imeanguka das Glas ist umgefallen

Formal ist ein Substantiv also nicht nur durch sein Klassenpräfix definiert sondern auch durch seine Konkordanzeigenschaften. Es bietet sich daher an – einem Vorschlag von Fidèle Mpiranya (2014) folgend – Klassenpräfixe und Konkordanten quasi als Subklassen zu paaren, wie in der nachfolgenden Tabelle dargestellt:

Nominalklassen mit Subklassen nach Mpiranya (2014)
Klasse Singular Plural
mu-/wa- [mu-| yu-/a-]mtoto huyu analala
dieses Kind schläft
[wa-| wa-]watoto hawa wanalala
diese Kinder schlafen
mu-/mi- [mu-| u-]mti huu unakua
dieser Baum wächst
[mi-| i-]miti hii inakua
diese Bäume wachsen
ji-/ma- [ji-| li-]jino hili linauma
dieser Zahn schmerzt
[ma-| ya-]meno (← ma- + ino) haya yanauma
diese Zähne schmerzen
ki-/vi [ki-| ki-]kitabu hiki kimevunja
dieses Buch ist zerrissen
[vi-| vi-]vitabu hivi vimevunja
diese Bücher sind zerrissen
n-/n- [n-| i-]nyumba hii imeanguka
dieses Haus ist eingestürzt
[n-| zi-]nyumba hizi zimeanguka
diese Häuser sind eingestürzt
u-/n- [mu-| u-]ulimi huu umevima
diese Zunge ist geschwollen
[n-| zi-]ndimi hizi zimevima
diese Zungen sind geschwollen
u-/ma- [mu-| u-]uta huu umevunja
dieser Bogen ist zerbrochen
[ma-| ya-]mata haya yamevunja
diese Waffen sind kaputt

Die Flexion der von Substantiven der Nasalklasse abhängigen veränderbaren Adjektive

Für die veränderlichen Adjektive gilt generell, dass sie ihr Präfix vom regierenden Substantiv erhalten, z.B. KI-tabu __-dogoKI-tabu KI-dogo.

Eine Ausnahme bildet die U-Klasse: Da die Kongruenz der abhängigen Elemente hier grundsätzlich dem Muster der Klasse 3 folgt, werden Adjektive abweichend nach dem Muster der Klasse 3 mit dem Präfix m- gebildet, z.B. uso mzuri schönes Gesicht, uso mwekundu rotes Gesicht oder ukuta mweupe weiße Wand gebildet.

Die folgende Tabelle zeigt die Flexion des Adjektivs -pya neu:

Die Flexion des Adjektivs -pya in allen KLassen
Klasse Singular Plural
mu-/wa- mwalimu mpya ein neuer Lehrer walimu wapya neue Lehrer
mu-/mi- mti mpya ein neuer Baum miti mipya neue Bäume
ji-/ma- jino jipya ein neuer Zahn
gari jipya ein neues Auto
meno (← ma- + ino) mapya neue Zähne
magari mapya neue Autos
ki-/vi kitabu kipya ein neues Buch vitabu vipya neue Bücher
n-/n- nyumba mpya (← n- + pya) ein neues Haus nyumba mpya neue Häuser
u-/n- wimbo (← u- + imbo) mpya ein neues Lied nyimbo (← ni- + imbo) mpya (← m- + pya) neue Lieder
u-/ma- uta mpya ein neuer Bogen mata mapya neue Waffen
Lokativ mahali pazuri ein schöner Ort
nyumbani kupya im neuen Haus

Bei der Klassifikation der Substantive des Swahili ist zunächst eine grundlegende Unterscheidung zu treffen zwischen solchen, die Lebewesen (Menschen und Tiere) bezeichnen, und allen anderen. Adjektive, die Lebewesen in diesem Sinne modifizieren, erhalten die Klassenpräfixe des Klassenpaares 1/2, gleichgültig zu welcher Nominalklasse sie gehören. Das gilt also auch für die Nasalklasse, z.B. mbwa mdogo kleiner Hund und mbwa wadogo kleine Hunde.

Veränderbare Adjektive, die Nicht-Lebewesen der Nasalklasse modifizieren, erhalten das Nasalpräfix und unterliegen den unten dargestellten Lautregeln: nchi mbili (← n- + wili) zwei Länder; nyumba ndogo kleines Haus (kleine Häuser); nyota nyekundu (← ny- + ekundu) roter Stern; barua ndefu (← n- + refu) lange(r) Brief(e); ndizi tamu süße Banane(n); nguo mpya (← n- + pya) neues Kleid, neue Kleider; kazi [ŋ]gumu (← n- + gumu) schwere Arbeit(en).

Pluralbildung der u-Klasse

Substantive der u-Klasse (Klasse 11), die zählbare Objekte bezeichnen, haben häufig Pluralformen der Klasse 10 (= Plural der Nasalklasse), wobei wieder das Nasalpräfix ins Spiel kommt. Das Wort ubao Brett zum Beispiel setzt sich aus dem Klassenpräfix u- (Klasse 11) und der Wurzel bao zusammen. Der Plural wird jedoch mit dem Nasalpräfix gebildet: n- + bao ˞→ mbao Bretter. Weitere Beispiele sind ubawa Flügel (Sg.) mit der Pluralform mbawa Flügel (Pl); udevu Barthaar: Plural ndevu Bart; ulimi Zunge: Plural n- + limindimi Zungen; wimbo (← u- + imbo) Lied: Plural ny- + imbo → nyimbo Lieder; ukuni Holzscheit: Plural n- + kuni ˞→ kuni Holzscheite, Feuerholz.

Wortbildung durch Klassenwechsel

Die Nominalpräfixe bestimmen nicht nur die Zugehörigkeit eines Wortes zu einer Nominalklasse, sondern können auch als Wort­bildungs­elemente fungieren. So dienen z.B. die Präfixe ji- und ki- auch zur Bildung von Vergrößerungs- bzw. Verkleinerungsformen (Augmentativ bzw. Diminutiv), wobei quasi das Klassenpräfix des Grundwortes ersetzt wird. Wir haben dies oben schon einleitend bei dem Wort für Hund mbwa gesehen, zu dem es das Augmentativ jibwa sehr großer Hund gibt, das zur Klasse 5 gehört. Die Pluralform ist hier allerdings abweichend majibwa, statt des zu erwartenden mabwa. Der Grund dafür mag folgender sein: Das Präfix ma- der Klasse 6 dient nicht nur zum Ausdruck des zur Klasse 5 gehörigen Plurals sondern bezeichnet auch beispielsweise Flüssigkeiten wie (z.B. maji Wasser, maziwa Milch, mafuta Öl, zu denen es keinen Singular gibt, sowie Kollektivbegriffe wie maharagwe Bohnen, madevu Bart, mabuzi Ziegenherde. Nach Sacleux gibt (oder gab) es zu mbwa die Kollktivbezeichnung mabwa Hundemeute, welche die reguläre Pluralbildung mabwa Hunde blockiert haben könnte.

Bei nyoka Schlange ist nicht von vornherein klar ob es sich um ein unveränderliches Grundwort handelt oder ob es als ny- + oka analysiert werden kann. Dazu müssten wir wissen, ob oka eine Wurzel ist, die auch in anderen Wörtern mit vergleichbarer Bedeutung vorkommen. Dies ist in der Tat der Fall. So gibt es die Augmentativbildung joka Riesenschlange, Drache sowie die Diminutivbildung kijoka kleine Schlange. Zu nyumba Haus gibt es jumba großes Haus, Palast. (Unklar ist, ob chumba als ki- umba analysiert werden kann.)

Die Lautlehre des Nasalpräfixes

Wie wir eingangs schon gesehen haben erscheint das Nasalpräfix, so es denn überhaupt ausgedrückt wird, orthographisch als m, n, ny und ng'. Dabei steht ny nicht für eine Lautfolge, sondern bezeichnet den palatalen Nasal /ɲ/ wie in span. mañana Morgen, frz. gagner gewinnen, oder it. ogni alle. Ebenso steht ng' nicht für eine Lautfolge, sondern für den nasalen Gaumenlaut /ŋ/ wie in dt. eng oder engl. sing.

Es gelten folgende Ausspracheregeln:

  1. Wenn der Stamm mit einem Vokal beginnt lautet das Präfix ny-. Beispiele: nyama Fleisch, nyota Stern, nyoka Schlange, nyumba Haus. Entsprechende bei Adjektiven: nyota nyekundu roter Stern, nyumba nyeupe weißes Haus oder nguo nyeusi schwarzes Kleid. Im Umkehrschluss gilt, dass ein anlautendes n, auf das unmittelbar ein Vokal folgt, kein Nasalpräfix ist, sondern zum Stamm gehört, beispielsweise: namba Nummer, nukta Punkt, oder nuru Licht, Helligkeit.
    Besonderheiten:
    1. Eine Ausnahme bildet das Adjektiv -ema gut, gütig, das in der Nasalklasse statt des erwarteten nyema als njema erscheint, z.B. safari njema gute Reise.
  2. Vor stimmlosen Konsonanten p, t, ch /ʧ/, k, s, sh /ʃ/ und h entfällt das Klassenpräfix, z.B. paka Katze, tembo Elefant, chui Leopard, kazi Arbeit; fisi Hyäne, samaki Fisch, shaba Kupfer.
    Besonderheiten:
    1. Der Wortakzent fällt im Swahili grundsätzlich auf die vorletzte Silbe. Um diesem Gesetz genüge zu tun bleibt bei einsilbigen Stämmen auch vor stimmlosen Konsonanten das Klassenpräfix als Akzentträger erhalten. Der Nasal wird dabei silbisch.
      Beispiele: ńta Bienenwachs, ńcha Spitze, Pol, ńchi Land, ńso Niere.
    2. Vor allem in einigen originären Küstendialekten des Swahili hat das Nasalpräfix bei den stimmlossen Verschlusslauten eine Spur hinterlassen, sie werden mit starker Aspiration gesprochen: [pʰ, tʰ, kʰ, ʧʰ], z.B. paa Dach, vs. paa [pʰa:] Gazelle.
  3. Wo das Klassenpräfix erhalten bleibt, passt es sich hinsichtlich der Aussprache an den nachfolgenden Konsonanten an. Orthographisch sichtbar wird dies aber nur bei Lippenlauten, hier wird n zu m vor p, b, v, oder w z.B. mpwa Neffe, Nichte mbwa Hund, mbwe Kieselstein.
    Besonderheiten:
    1. die bei einem stammanlautenden Nasal entstehende Geminate (Doppellaut) wird vereinfacht: n + moja → mmoja ˞→ moja; n + nane → nnane → nane
    2. stammanlautendes w wird zu b: n + wili → mwili → mbili
    3. Stammanlautendes l oder r werden zu d: n + l/r → nd, z.B. n + refu → ndefu; n- + limi ˞→ ndimi (Plural zu ulimi Zunge).