Abstracts

Sektion 14: Literatur und Alterität

Annemarie Niklas (Universität Augsburg)

Muße – das „andere“ Ziel des Literaturunterrichts

Kompetenzorientierung impliziert einen Wertebegriff „Arbeit“ und einen Umgang mit (Lebens)Zeit, der auch das Lesen erfasst hat, mit dem Ziel eines „Wettbewerbsvorteil[s] im Lesekrieg“ (vgl. Die Zeit vom 12.11.2009).

Das aktuell bildungspolitisch gewollte Getriebe ununterbrochener Tätigkeit verhindert eher die Entwicklung eines grundlegenden Erkenntnisinteresses, das zu einer Werturteilskompetenz führt. Es werden kaum alternative Wertkonzepte verhandelt, wie das Konzept der Muße (griech. scholé), das historisch oder auch interkulturell (vgl. Obama 1996) eine Überwindung des Dualismus Arbeit-Freizeit darstellt (der sich auch im Leseverhalten widerspiegelt, vgl. Graf 2004).

Ein Literaturunterricht zur Muße bedeutet eine Wertschöpfung und Werteetablierung jenseits des aktuell tradierten Systems und diesem Sinn eine konkrete Fremdheitserfahrung, besonders auch, da der ethische Gehalt der Muße weltanschauliche Differenzen der multikulturellen Gesellschaft mühelos überwindet. Gerade Kinder- und Jugendliteratur, die Konzepte von Lebens(zeit)gestaltung anderer kultureller Entwürfe in den Blick nimmt, kann unter bestimmten Bedingungen zur „Mußeliteratur“ werden, was an ausgewählten Beispielen illustriert werden soll.

Literatur:

Graf, Werner: Der Sinn des Lesens. Modi der literarischen Rezeptionskompetenz, Münster: LIT 2004.

Obama, Auma: Arbeitsauffassungen in Deutschland und ihre literarische Kritik der deutschen

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Eva Schörkhuber (Universität Wien)

Bodenlose Grundsätze: Unterwanderungen kultureller Beispiel-Haft entlang einer Erzählung von Seher Çakir

Die ‚Anderen’ in Texten festzustellen, um sie in der Eindeutigkeit ihrer Fremdheit in Beispiel-Haft zu nehmen, gehört zu jenem Ausweisverfahren, im Zuge dessen die Grenzen zwischen dem Eigenen und dem Fremden dicht gemacht, sprachliche, nationale und kulturelle Entitäten konstituiert werden. Die „DissemiNation“ (Derrida, Bahbha) der anhand von Grundsätzen ausgewiesenen sprachlichen, nationalen, kulturellen Identitäten soll in diesem Beitrag als Lese- und Lernimpuls betrachtet werden. Entlang der Erzählung Helen und ihre Haut von Seher Çakir werden Lektürewege eröffnet, welche die vermeintlich eine kulturelle Identität stiftenden Grundsätze außer Kraft setzen und das durch sie binär strukturierte Kräftefeld erweitern zu einem Raum, in dem Kultur bedingte und bedingende Zuschreibungen unausgesetzt verhandelt und in ihrer Konstitution befragt werden.

Çakir, Seher: zitronenkuchen für die sechsundfünfzigste frau. kurzgeschichten. Wien: edition exil 2009.

Literatur:

Bhabha, Homi: Die Verortung der Kultur. Übers. Freudl, Jürgen und Schiffmann, Michael, Tübingen: Stauffenburg 2007.

Seyhan, Azade: Writing Outside the Nation. Princeton: Princeton University Press 2001.

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Gina Weinkauff (PH Heidelberg)

Über poetische und kulturelle Alterität in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur

Über poetische und kulturelle Alterität in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur

Neben Themen aus dem Alltag der Heranwachsenden nimmt die Darstellung fremder Kulturen in der deutschen KJL eine herausragende Stellung ein. Erzähltexte mit dieser Thematik hatten entscheidenden Anteil an der Herausbildung eines kinder- und jugend­literarischen Symbolsystems im späten 18. Jahrhundert und behielten ihre qualitative und quantitative Bedeutung im Lektüreangebot für junge Leser im deutschsprachigen Raum über nahezu zwei Jahrhunderte hinweg bei. Im Verlauf der Geschichte wandeln sich jedoch sowohl die inhaltlichen Vorstellungen als auch die generelle Bedeutung der Enkulturationsfunktion und mit ihr der Anteil kultureller Images am Sinnpotential der KJL. Im Zusammenhang mit der Medienentwicklung und den für postmoderne bzw. postkoloniale Verhältnisse charakteristischen Vorgängen der kulturellen Hybridisierung erreichte dieser Wandel in den zurückliegenden vier Jahrzehnten eine besondere Dynamik. Es veränderten sich nicht nur die formalen und inhaltlichen Konventionen der KJL im deutschsprachigen Raum, sondern auch die textimmanenten Adressatenentwürfe und ihre gesellschaftlichen und kulturellen Funktionen. Während die über das Thema „kulturelle Fremdheit“ definierbaren Texte an Bedeutung verlieren, expandiert der Spielraum für poetische Alterität. Der Vortrag reflektiert die Bedeutung dieser Veränderungen im Lektüreangebot auch in literaturdidaktischer Sicht.

Literatur:

Mecklenburg, Norbert: Über kulturelle und poetische Alterität. In: Krusche, D./Wierlacher, A. (Hg.): Hermeneutik der Fremde. München: iudicium 1990, S. 80–102.

Weinkauff, Gina: Ent-Fernungen. Fremdwahrnehmung und Kulturtransfer in der deutschsprachigen KJL seit 1945. Band 1 + 2. München: iudicium 2006.

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Jeanette Hoffmann (FU Berlin)

Aneignung historischer und anthropologischer (Fremdheits-) Erfahrungen durch zeitgeschichtliche Jugendliteratur im interkulturellen Kontext

In der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur nehmen die Themen Nationalsozialismus und Holocaust einen bedeutenden Raum ein. Im Zuge des bevorstehenden Übergangs vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis und der Heterogenität von Erinnerungsperspektiven sind literarische Texte zunehmend bedeutsam. Der Anspruch an Literatur, einen Beitrag zur interkulturellen Verständigung zu leisten, bedarf jedoch einer empirischen Fundierung. Dies war der Ausgangspunkt meines Forschungsprojekts Literarische Gespräche im interkulturellen Kontext. In einer qualitativ-empirischen Studie untersuchte ich die Rezeption von Mirjam Presslers Malka Mai in Deutschland und in Polen. Erzählt wird die Geschichte der Flucht einer jüdisch-polnischen Familie 1943 von Polen nach Ungarn. In 9. und 10. Klassen führte ich teilnehmende Unterrichtsbeobachtungen sowie fokussierte SchülerInnen-Interviews durch und rekonstruierte historische und anthropologische Lernpotentiale. In meinem Vortrag möchte ich literarische Gespräche gedächtnistheoretisch verorten und aufzeigen, wie sich die literarischen Aneignungen der SchülerInnen von deren historischen Sinnbildungen im familialen Kontext unterscheiden.

Literatur:

Assmann, Aleida (2003): Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München.

Welzer, Harald (2005): Das kommunikative Gedächtnis. Eine Theorie der Erinnerung. München.

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Gerhard Rupp (Ruhr Universität Bochum)

Erforschung und Förderung transkultureller Rezeptionsprozesse im Literaturunterricht

Die durch Globalisierungs- und Migrationsprozesse veränderte kulturelle Praktiken führt dazu, sodass der Literaturunterricht im Spannungsfeld steht zwischen traditionell-nationalen Praktiken und durch die im Zuge dieser Prozessen eingetretenen rezeptiven und produktiven Veränderungen. Zu untersuchen sind Rezeptionsweisen von Schüler/innen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu denen von ‚deutschen’ Schüler/innen. Aufbauend auf den Ergebnissen der Untersuchung wird ein Konzept für einen transnationalen Literaturunterricht entwickelt, das sich mit der Vermittlung von (literarischer) Kultur in einer durch Migrationsprozesse stark beeinflussten Gesellschaft auseinandersetzt und in dem das Aufeinandertreffen unterschiedlicher kultureller Strömungen und hybrider Formen anhand literarischer Texte bewusst reflektiert sowie die transnationale und –kulturelle Kompetenz der Schüler/innen erweitert werden soll.

In dieser Hinsicht soll sich die Orientierung an unterschiedlichen Raumkonzeptionen als fruchtbar und gewinnbringend erweisen: Globalisierung / Glokalisierung – Diaspora – Internationalisierung – Transnationalisierung / Transkulturalität. Dies wird mit dem Ansatz der transnationalen bzw. transkulturellen literarischen Rezeptionsfähigkeit konzeptionalisiert.

Literatur:

Rupp, G./ Heyer, P. / Bornholt, H. (2004): Lesen und Medienkonsum. Wie Jugendliche den Deutschunterricht verarbeiten. Weinheim: Juventa, 168 ff.

Rupp, G.(1989): Projekt? Gemeinsam schreiben lernen?. Interkulturelles Lernen mit literarischen Texten. In: Grundschule 21, H. 10, S. 28-30.

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Annette Kliewer (Universität Koblenz-Landau)

Vom Fremden im Eigenen und dem Eigenen im Fremden – Literaturunterricht an der Grenze

Literaturunterricht beschäftigt sich immer mit dem Blick auf das Eigene und dem Blick auf das Fremde/die "Fremden" (vgl. Wintersteiner 2003). "Das Fremde ist in mir" (Kristeva) – so wird in der psychologischen Fremdheitsforschung immer wieder festgestellt. Literaturunterricht an der Grenze zu einer anderen Nation steht hier vor besonderen Herausforderungen. Literaturunterricht im Oberrheinraum z.B. muss die internationale Dimension (den Kontakt zwischen Frankreich und Deutschland) und die interregionale Dimension aufgreifen (den Kontakt zwischen den Regionalkulturen in Baden/Pfalz und dem Elsass). Nicht nur hier gilt auch die Umkehrung: "Das Eigene ist im anderen". Nur indem selbstbezogener Folklorismus und exotische Suche nach dem Fremden in gleicher Weise in Frage gestellt werden, lassen sich alte Stereotypen überwinden. Ausgehend von postkolonialen Theorieansätzen werden literarische Texte der Oberrheinregion diesseits und jenseits der deutsch-französischen Grenze daraufhin untersucht, welche didaktischen Möglichkeiten das ‚global village‘ in der Provinz bietet.

Literatur:

Kliewer, Annette: Interregionalität. Literaturunterricht an der Grenze zum Elsass. Baltmannsweiler: Schneider 2006.

Wintersteiner, Werner: Poetik der Verschiedenheit. Literarisch-kulturelle Bildung und Globalisierung. Klagenfurt: Habilitationsschrift 2003.

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Felix Heizmann (PH Heidelberg)

Alteritätserfahrungen in Literarischen Gesprächen mit Grundschulkindern

Im Forschungsprojekt zum Literarischen Unterrichtsgespräch an der Päd. Hochschule Heidelberg (Leitung: Gerhard Härle) habe ich mit Kindern der 3. und 4. Klasse mehrere literarische Gespräche zu einem Gedicht mit hohem Alteritätspotenzial geführt.

Ich skizziere sowohl das Heidelberger Modell als auch das methodische Vorgehen, das diesen Gesprächen zu­grunde lag (vgl. Härle, Steinbrenner 2003). Dabei folge ich der Annahme, dass in literarischen Gesprächen Alterität nicht eingeebnet wird, sondern dass Kinder in der gesprächsförmigen Suchbewegung Alteritätserfahrungen machen, die als frucht­barer Bestandteil literarischen Lernens gedacht werden können.

Da es sich bei Alterität um einen relationalen Begriff handelt, entwickle ich in An­lehnung an Klaus Maiwald (1999) und Ulf Abraham (2000) ein heu­ristisches Kategoriensystem sprachlich-literarischer Alterität, das die Be­schreibung von Alterität ermöglichen kann. Anhand ausgewählter Transkriptauszüge zeige ich, welche Wechselbeziehungen zwischen dem Alteritätspotenzial eines literarischen Textes und den Rezeptionsstrategien und Verstehensansätzen von Lernenden der Primarstufe bestehen. Ziel ist die gemeinsame Reflexion der Kategorien, indem wir sie selbst auf Transkriptstellen anwenden und ihre Tauglichkeit für das Erschließen der Gesprächsbeiträge diskutieren.

Literatur:

Härle, Gerhard, Steinbrenner, Marcus (2003): „Alles Verstehen ist … immer zugleich ein Nicht-Verstehen“. Grundzüge einer verstehensorientierten Didaktik des Gesprächs im Literarturunterricht. In: Literatur im Unterricht, Jg. 4, H. 2, S. 139–162

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Irene Boose (PH Ludwigsburg)

Chamissos Enkel in der Hauptschule

Im Stuttgarter Raum unterstützt die Robert-Bosch-Gesellschaft Initiativen an Schulen mit bis zu 70prozentigem Anteil an Schülern mit ‚Migrationshintergrund‘ zur Begegnung mit Literatur, Kunst, Musik und Theater und von diesen Ausdrucksformen angeregten Eigenproduktionen. In der Arbeit zwischen Lehrern, Autoren und Schreibdozenten entsteht eine Atmosphäre der individuellen Aneignung einer ‚fremden‘ (hier der deutschen Hoch- und Mehrheits-)Kultur und -Sprache durch Kinder und Jugendliche, die das angeleitete Sprechen und Schreiben als wichtigen Schritt kulturell bestimmter Identitätsbildung erleben.

Zwei Konzepte werden auf ihren Umgang mit sprachlichen Hybridisierungen (etwa im Umgang mit Metaphern und Erzählroutinen) hin befragt: jenes Konzept, das Chamisso-Preisträger (von Ilija Trojanow bis Arthur Becker) in Bietigheim-Bissinger Schulen einlädt und den Schülern auf mehrere Wochen angelegte Schreibwerkstätten mit ausgewiesenen Schreibdozenten anbietet. Das zweite Konzept führt Teamarbeit von Lehrern und Schreibdozenten wie José F.A. Oliver als integratives Unterrichtsmodell durch und leitet Schüler verschiedener Schulformen zum Schreiben z.B. lyrischer Texte an.

Literatur:

Engin, Havva und Ralph Olsen (Hrsg.): Transkulturelles Lernen in Deutschunterricht. In: Dies. (Hrsg.): Interkulturalität und Mehrsprachigkeit. Baltmannsweiler 2009. S. 1-17

Rösch, Heidi (Hrsg.): Kompetenzen im Deutschunterricht. Beiträge zur Literatur-, Sprach- und Mediendidaktik. Frankfurt/Main. u.a. 2. Auflage 2008

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Anna Babka (Universität Wien)

Mann/Frau, Schwarz/Weiß oder wie Differenzen in die Welt gesetzt werden

In dem Schulprojekt Wahlfach WissenschafterIn / mit dem FWF die Grundlagenforschung verstehen wird angestrebt, Jugendliche ab 12 Jahren mit spannenden Inhalten der Wissenschaft zu fesseln und ihnen das Berufsbild WissenschafterIn näher zu bringen. Als Projektleiterin konnte ich in einem Wiener Gymnasium den Workshop „Mann/Frau, Schwarz/Weiß oder wie Differenzen in die Welt gesetzt werden“ in einer sechsten Oberstufe abhalten. Rasch waren die SchülerInnen in der Lage, die Grundzüge einer dekonstruktiv motivierten Dekonstruktion der Geschlechteropposition und der Opposition Schwarz/Weiss auf der Basis eines Vortrags nachzuvollziehen, in dem sowohl die Theorie als auch die Methode der Dekonstruktion erklärt wurden. Gemeinsam analysierten wir in der Folge Else Lasker-Schülers Der Prinz von Theben (1914) auf der Basis der erworbenen Grundlagen. Ziel war, den SchülerInnen ein theoretisches Werkzeug zu vermitteln und eine Anwendung zu demonstrieren, in der binäre Oppositionsstrukturen unterlaufen und entkräftet wurden, für Offenheit, Hybridität und Polyvalenz plädiert wurde und Räume eröffnet wurden, in denen sich vielfältige, prozesshafte Identitätskonzepte als denkbar und lesbar erwiesen.

Im Vortrag sollen die theoretischen Grundlagen und die Ergebnisse der Textanalyse referiert und die Rezeption des wissenschaftlichen Inputs auf die SchülerInnen diskutiert werden.

Literatur:

Lasker-Schüler, Else: Der Prinz von Theben. Ein Geschichtenbuch. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1996.

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Lea Grimm (PH Ludwigsburg)

Jugendliteratur „aus“ Asien im Deutschunterricht: vertraut, fremd und doppelt fremd

Anhand zweier Jugendromane aus Asien zum Thema „Leistung und Leistungsgesellschaft“ werden Kategorien wie Perspektivenwahrnehmung, Perspektivenübernahme, Perspektivenvernetzung und Perspektivenkoordination illustriert und für den interkulturellen Literaturunterricht genutzt: Seidenraupen für Jin Ling von Beijia Huang und Minas Lied von An Na. Der Beitrag wird nach einer knappen literarischen Analyse ein literaturdidaktisches Modell für die Sekundarstufe vorstellen, das in einem induktiven Verfahren romanimmanente, -vergleichende und -externe Dimensionen der Multiperspektivität entfaltet und einen mehrfachen Perspektivenwechsel provoziert. Dieser ist nicht nur figurbezogen, sondern berücksichtigt auch die zeitlich-historische Dimension (der 1960er Jahre, Zeitpunkt der Auswanderung der Elterngeneration). Die offensichtliche Lesart (Kritik am Bildungssystem, Mutterfigur als Negativfigur) wird überwunden. Das Modell integriert folgende Spannungsfelder: Generationenunterschied bei den Autorinnen mit Folgen für die Erzählperspektive (Täter-Opfer-Sicht), unterschiedliche Originalsprachen mit Folgen für das Übersetzungsergebnis (Vertrautheitseffekt-Fremdheitseffekt), konträre Figurenkonzeptionen (Monokulturalität versus Hybridität, Einfachheit im kindlichen Freiheitsstreben versus Komplexität in der Identitäts- und Adoleszenzkrise).

Literatur:

Bredella, Lothar / Christ, Herbert (Hrsg.) (2007): Fremdverstehen und interkulturelle Kompetenz. Tübingen: Narr.

Rösch, Heidi (2006): Was ist interkulturell wertvolle Kinder- und Jugendliteratur? In: Beiträge Jugendliteratur und Medien 2/2006. S. 94–103.

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Beate Laudenberg (PH Karlsruhe)

Fremdheit im (Cover-)Bild

Das Bild vom Anderen in unseren Köpfen basiert nicht nur auf Erfahrungen, sondern wird über sprachliche Darstellungen hinaus selbstverständlich auch durch Bilder beeinflusst. Besonderes Interesse verdienen Letztgenannte, wenn sie (literarische) Texte illustrieren bzw. präsentieren. Der „Blick der Deutschen auf Migranten und Minderheiten“ (Beck-Gernsheim), literarisch oft beschrieben und soziologisch erforscht, spiegelt sich in den ikonographischen Peritexten wider. Wie dies geschieht und welche Veränderungen die Coverbilder bei Neuauflagen oder Verlags- und Medienwechsel erfahren, soll vor allem an moderner Kinder- und Jugendliteratur aufgezeigt werden – zum einen weil Kinder- und Jugendbücher gern zur interkulturellen Bildung eingesetzt werden, zum anderen weil in diesem Bereich die Coverbilder von besonderer Bedeutung sind und nicht nur aus merkantilen Interessen besonders häufig neu gestaltet werden. An den Veränderungen lassen sich schließlich auch gesellschaftliche Entwicklungen im Umgang mit Fremden aufzeigen.

Literatur:

Beck-Gernsheim, Elisabeth: Wir und die Anderen. Vom Blick der Deutschen auf Migranten und Minderheiten. Frankfurt: Suhrkamp 2004.

Laudenberg, Beate: Das Titelbild von Kinder- und Jugendbüchern - mehr als ein visueller Kaufanreiz und ‚stummer Impuls’?! In: Marci-Boehncke, G. / Rath, M. (Hg.): BildTextZeichen lesen. München: kopaed 2006.

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Brigitte Schulte (Berlin)

Interkultureller Literaturunterricht mit Lesebüchern

Nach einer Bestandaufnahme von zehn aktuellen Lehrwerken für die Sekundarstufe I sollen Best-Practice-Beispiele vorgestellt, aber auch Lücken und Schwachstellen aufgezeigt werden: Viele Lehrwerke – insb. aus dem Haupt- und Realschulbereich – thematisieren fremde Lebenswelten oder Fremdheit und Vielfalt im Rahmen der eigenen Gesellschaft nur marginal; Welt- und Migrationsliteratur spielt eine äußerst untergeordnete Rolle. Viele Texte mit interkulturellem Potenzial werden nicht mit Aufgabenstellungen zum interkulturellen Lernen versehen; viele Themen, die Interkulturalität nahe legen, beschränken sich auf eine rein deutsche oder eurozentrische Perspektive. Themenwahl und Aufgabenstellung verknüpfen häufig ‚Fremdheit‘ und ‚Problematik‘ oder ‚Fremdheit‘ und ‚Exotik‘. Darstellungen aus einer Binnensicht oder einer hybriden Perspektive sind in der Minderzahl.

Als Konsequenz für die Praxis sind Lehrwerke kritisch zu prüfen, ggf. zu adaptieren oder zu ergänzen. An konkreten Beispielen soll eine solche Herangehensweise verdeutlicht werden:

  • Durch veränderte oder neue Aufgabenstellungen, um die Potenziale der gegebenen Texte zu nutzen und ggf. die Beschränkungen bestimmter Sichtweisen zu thematisieren.
  • Durch den Einbezug weiterer Texte, um eine interkulturelle Perspektive zu ergänzen.
  • Durch den verstärkten Einsatz von interkultureller Kinder- und Jugendliteratur.

Literatur:

Honnef-Becker, Irmgard (Hg). (2007) Dialoge zwischen den Kulturen. Interkulturelle Literatur und ihre Didaktik. Baltmannsweiler.

Rösch, Heidi (2006) „Was ist interkulturell wertvolle Kinder- und Jugendliteratur?“. In: Beiträge Jugendliteratur und Medien. 58.Jg. 2006 (2). S. 94–103

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