Heute, in Zeiten der Globalisierung, wird „Fremdheit als Lernimpuls“ (Hans Hunfeld)
wieder stärker in ihrer Bedeutung erkannt. Dies gilt erst recht für die Literaturdidaktik,
die sich zunächst mit der Fremdheit der Literatur und der Konstruktion von Fremdheit
in der Literatur beschäftigen muss, ehe sie sich einer Literatur der Fremdheit zuwenden
kann. Literatur als genuiner Ort des Anderen innerhalb einer gegebenen Gesellschaft
hilft uns, Fremdheitserfahrungen bewusster zu erleben, zu reflektieren und zu verarbeiten.
Das bedeutet auch, die eigenen (z.B. national geprägten) Voraussetzungen unseres
Denkens und Handeln zu „dezentrieren“, d.h. in Frage zu stellen. Damit ist man schnell
auch bei einer „anderen“ Literatur (Migrations- und Minderheitenliteratur, Literatur
des Dazwischen, Weltliteratur) und bei Fragen der Übersetzung von Literatur.
In diesem Sinne wünschen wir uns Beiträge, die Alterität
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als Kategorie für die Literaturauswahl aus literaturwissenschaftlicher und literaturdidaktischer
Perspektive, die die Kanondebatte im Kontext einer „Poetik der Verschiedenheit“
(Wintersteiner) entfalten,
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als Kategorie für Methoden in der Literaturwissenschaft und in der Literaturdidaktik,
die Konzepte einer inter- oder transkulturellen Literaturdidaktik (bzw. Literaturwissenschaft)
weiter entwickeln,
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als Prinzip literarischer Bildung, die die aktuelle Debatte um Kompetenzorientierung
(vgl. Heidi Rösch) aufgreifen und die Möglichkeiten einer Förderung interkultureller
Kompetenz durch den Umgang mit Literatur ausloten.
Das Spektrum der Literatur kann von „historisch fremder“ bis zu aktueller Literatur
inklusive der Kinder- und Jugendliteratur reichen.