Fachliches Lernen: Gegenstände klären – Kompetenzen entwickeln
D
ie Kompetenzen, um deren fachdidaktische Modellierung und bildungspolitische Implementierung
es in den letzten Jahren ging, sind in Bezug auf die Fachlichkeit des Deutschunterrichts
teilweise inhaltsneutral, teilweise einfach in Anlehnung an kanonische Wissensbestände
formuliert (sog. „Inhaltsstandards“). Beides ist unbefriedigend, insofern es die
Erwerbs- und Aneignungsperspektive, die ja gerade durch die Kompetenzorientierung
stark gemacht werden sollte, noch nicht überzeugend auf die Auswahl von Gegenständen
bezieht: Die Fachdidaktik Deutsch ist gefordert, einen Beitrag sowohl zur Klärung
und Auswahl unterrichtlich relevanter Gegenstände von Sprach- und Literaturunterricht
im 21. Jahrhundert zu leisten als auch zur weiteren Erforschung der Erwerbsprozesse,
in denen sich Lernende exemplarisch Einsichten in Strukturen und methodisches Handlungswissen
aneignen, und beides aufeinander zu beziehen.
Die Frage, welche Unterrichtsgegenstände prototypisch geeignet sind, Kompetenzaneignung
zu fördern, stellt sich sowohl sprachdidaktisch (z.B. Begriffe und Konzepte des
Grammatikunterrichts) als literatur- und mediendidaktisch (z.B. Genres und Formate
in Printliteratur, Film und digitalen Medien). Zwar ist Konsens, dass Können nicht
ohne Rückbindung an Inhalte erreichbar ist; aber welche Inhalte zur Kompetenzförderung
für unabdingbar gelten sollen, ist empirisch und konzeptionell in den meisten Lern-
und Arbeitsbereichen weniger gut geklärt, als die Bildungsstandards für Schule
und Hochschule (Deutschlehrer/innen/bildung) dies eigentlich voraussetzen: Es darf
z.B. nicht nur um einen literarischen Kanon für das Zentralabitur oder einen Filmkanon
für die Schule gehen, sondern es muss geklärt werden, welche Begriffe und Konzepte
der Text- und Filminterpretation künftig den Status von Fachwissen haben sollen.
Auch muss ein fachspezifischer Kompetenzbegriff für die Bildungsstandards mit dem
Konzept sog. „Schlüsselqualifikationen“ vermittelt werden. Gerade für das Fach Deutsch
sind sowohl Außengrenzen als auch seine Binnengrenzen („Lernbereiche“) zu überdenken.
In der Schule Kompetenzen zu vermitteln, ist zwar nur lernbereichs- und fächerübergreifend
aussichtsreich; aber das heißt nicht, dass innerfachlich darauf verzichtet werden
könnte zu klären, welchen Anteil der Deutschunterricht beispielsweise am Kompetenzerwerb
hinsichtlich mündlichen und schriftlichen Informierens hat. Dasselbe gilt für den
Umgang mit den bilddominierten Medien. Gerade die für solche Gegenstände notwendige
interdisziplinäre Zusammenarbeit (Hochschule) setzt ebenso wie fächerverbindender
Unterricht (Schule) die Erkennbarkeit von Fächergrenzen und fachlichen Identitäten
voraus.
Es gilt daher, die Fachlichkeit des Deutschunterrichts zu stärken und zu reflektieren.
Mit seinen vielfältigen thematischen Bezügen zu anderen Fächern ist er nicht nur
auf der Primarstufe immer wieder in Gefahr, sein Fachprofil zu verlieren. Dieses
liegt in der Beschäftigung mit der Überformung und Gestaltung von Lebenswelt(en)
durch Sprache und durch sprach- und bildbasierte Medien. Sprach- und literaturwissenschaftliche
Einsichten in Texte (jeder Art) sind durch die Kompetenzorientierung keineswegs
entwertet, aber sie sind einzubinden in Lehr-/Lernkonzepte, die Fachwissen und fachliches
Lernen in Bezug auf die (alters-, gender-, ethnie- und ggf. schulartspezifische)
Erreichbarkeit von Lernerfolgen reflektieren und dabei der gesellschaftlichen
Verantwortung des Deutschunterrichts gerecht werden. Kanonische Bestände stehen
dabei auf dem Prüfstand, und zwar sowohl in traditionellen Bereichen wie grammatischen
Termini und „Aufsatzarten“ als auch in der medialen und interkulturellen Sozialisation
der Lernenden entstammenden Bereichen. Daneben geht es aber um die Entwicklungs-
und Erwerbsprozesse, in denen sich Kompetenzen herausbilden (lassen). Auch hier
sind die Außengrenzen des Faches zu reflektieren: Mit der sprachlichen und literarischen
Förderung für Vorschulkinder sowie der Alphabetisierung und Grundbildung für Erwachsene
wird die Deutschdidaktik vor neue Aufgaben gestellt. Und schließlich geht es um
konzeptionelle Diskurse der Fachdidaktik, die – etwa zur Frage des Verhältnisses
und der Schnittmengen von Mündlichkeit und Schriftlichkeit – weiterzuentwickeln
sind.