Abstracts

Sektion 16: Rechtschreiben: Orthografische Konzepte und fachliches Wissen

Julienne Furger & Claudia Schmellentin (PH Nordwestschweiz)

Rechtschreibkompetenzen erfassen: Standardfestlegung im Spannungsfeld von Psychometrie, Fachdidaktik und Bildungspolitik

Im Rahmen des Schweizer Projekts «HarmoS Schulsprache» wurden neben den Basisstandards in den Sprachhandlungsdomänen Lesen, Schreiben, Gespräche führen, Zuhören und Sprechen auch Standards in den Lernbereichen Orthografie und Grammatik entwickelt. Die Basis für die Festlegung der Standards bildeten empirisch validierte Kompetenzmodelle. Die empirische Validierung erfolgte mittels Leistungstests, die mit der Raschmethode ausgewertet wurden. Standards sind normative Setzungen zur Überprüfung des Bildungssystems und müssen daher sowohl lernpsychologischen und fachdidaktischen als auch gesellschaftspolitischen Kriterien genügen. Unter diesen Voraussetzungen bewegt sich das Projekt im Spannungsfeld von Psychometrie, Fachdidaktik und Bildungspolitik.

In unserem Beitrag wollen wir zeigen, wie wir bei der Entwicklung von Basisstandards für Grammatik und Orthografie mit diesem Spannungsfeld umgegangen sind. Dabei fokussieren wir unter anderem folgende Fragen:

  • Was sind Kernkompetenzen im Bereich Grammatik- und Rechtschreibung?
  • Mit welchen Aufgaben können diese Kompetenzen sichtbar gemacht und überprüft werden?
  • Wie sollen die psychometrisch gewonnenen Daten ausgewertet und interpretiert werden, damit die Basisstandards den fachdidaktischen, lernpsychologischen und auch gesellschaftspolitischen Kriterien genügen?

Literatur:

Konsortium HarmoS Schulsprache (2010): Schulsprache. Wissenschaftlicher Kurzbericht und Kompetenzmodell. http://www.edudoc.ch/static/web/arbeiten/harmos/L1_wissB_25_1_10_d.pdf (Zugriff 11.2.2010)

Lindauer, Thomas; Schmellentin, Claudia (2008). Studienbuch Rechtschreibdidaktik. Die wichtigsten Regeln für den Unterricht. Stuttgart: UTB. (= UTB 3169).

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Kalle Herné & Carl Ludwig Naumann (Universität Hannover)

Itemkomplexität in der Kompetenzmodellierung für die Rechtschreibung – Warum ist die Tomate leichter als das Fahrradschloss?

Frühere Untersuchungen (z.B.  Haase 1979, May 1993) haben gezeigt, dass die Integration von einzelnen Komponenten des Wissens über Rechtschreibung erforderlich ist und ggf. gesondert gelernt werden muss. Diagnostische, unterrichtliche und lerntherapeutische Erfahrung kennen diese Anforderung als typische potenzielle Hürde gegen Ende der Grundschule; die Beobachtungen, besonders zu leistungsschwächeren Schülern (Löffler/Meyer-Schepers 2005, Scheele 2006) weisen in die gleiche Richtung. Itemkomplexität in diesem Sinne findet aber in Tests wie der HSP und aktuellen large-scale-Untersuchungen (Voss/Blatt/Kowalski 2007, Böhme/Bremerich-Vos 2009) noch nicht die angemessene Beachtung. – Möglicherweise zeigen sich hier Probleme mit einer sprachenübergreifenden Modellierung der Rechtschreibung. Oder am Fall der Rechtschreibung wird die die Diskrepanz zwischen „Systemmonitoring und Schulevaluation“ einerseits und „Individualdiagnostik und Förderung einzelner Schülerinnen“ andererseits sichtbar (Klieme u.a. 2003, 82f.)

Literatur:

Böhme, Katrin & Bremerich-Vos, Albert (2009) Diagnostik der Rechtschreibkompetenz in der Grundschule – Konstruktprüfung mittels Fehler- und Dimensionsanalysen. In: Bremerich-Vos, A.u.a. (Hrsg.) Bildungsstandards Deutsch und Mathematik. Weinheim/Basel: Beltz 2009, S. 340–366

May, Peter (1993) Vom Umgang mit Komplexität beim Schreiben. In: Balhorn, Heiko/Brügelmann, Hans: Bedeutungen erfinden – im Kopf, mit Schrift und miteinander. Konstanz: Faude, 277-289. (= libelle: wissenschaft lesen und schreiben, 5).

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Thorsten Stübe (Stadthagen)

Die Getrennt- und Zusammenschreibung und ihre Problemfelder aus ontogenetischer Perspektive

Das zentrale Anliegen der Studie ist eine empirisch fundierte Aufarbeitung der Aneignung von Form und Norm der Getrennt- und Zusammenschreibung (GZS) im Deutschen. Sie greift damit einen orthographischen Teilbereich auf, der gegenüber Phonem-Graphem-Korrespondenzen oder der Interpunktion bislang nicht systematisch aus der Erwerbsperspektive untersucht worden ist.

In der fehleranalytischen Untersuchung steht nicht die Individualgenese im Vordergrund, sondern es soll durch einen sog. „unechten Längsschnitt“ auf Entwicklungsverläufe geschlossen werden. Datenbasis sind u. a. Texte zu Bildergeschichten, die in jeweils fünf zweiten, dritten und vierten Klassen erhoben worden. Zur Ergänzung wurde eine Stichprobe aus dem „Ludwigsburger Aufsatzkorpus“ (Fix/Melenk 2002) herangezogen. Leitende Fragestellungen sind: Ab wann beherrschen Lerner das Spatium als Schriftzeichen? Wie ist die Verhältnis von Getrennt- und Zusammenschreibungsfehlern und unterliegt es einer Entwicklung? Lassen sich entwicklungsspezifische Schwierigkeiten im Umgang mit der GZS nachweisen und welche linguistischen Strukturen sind betroffen?

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Barbara Pagel (Universität Hamburg)

Rechtschreiblernen von Anfang an in Verbindung mit freiem Schreiben. Ausgewählte Ergebnisse aus einer Untersuchung in Klasse 1–3

In einer Fall-Kontrollstudie an einer Hamburger Grundschule (Klasse 1–3) wurde ein sprachsystematisch und schriftkulturell ausgerichtetes Konzept zum Schriftspracherwerb erprobt und evaluiert. Zentrale Elemente sind: Lernweg von der  konkreten Anschauung zur Abstraktion; systematischer Aufbau der Rechtschreibinhalte auf graphematischer Basis (vgl. Hinney 1997; Voss/Blatt/Kowalski 2007); Heranführung an das freie Schreiben; Aufbau eines metasprachlichen Wissens; begleitende Lernbeobachtung mit Tests sowie Beurteilung von freien Texten.

In dem Vortrag werden ausgewählte Ergebnisse der Untersuchung vorgestellt: Die Lernentwicklung der Rechtschreibleistung der Interventionsklasse im Vergleich zu den Kontrollklassen (quantitative Leistungsdaten) sowie die Lernentwicklung von drei Fallbeispielen aus der Interventionsklasse (qualitative Test- und Textanalysen).

Im Vergleich zwischen der Interventions- und den Kontrollklassen wird aufgezeigt, welche neuen Zugangsmöglichkeiten zum Rechtschreiblernen das vorgestellte Konzept den Kindern ab Klasse 1 eröffnet.

Literatur:

Hinney, G. (1997): Neubestimmung von Lerninhalten für den Rechtschreibunterricht. Ein fachdidaktischer Beitrag zur Schriftaneignung als Problemlöseprozeß. Frankfurt am Main.

Voss, A., Blatt, I. & Kowalski, K. (2007): Zur Erfassung orthographischer Kompetenz in IGLU 2006. Didaktik Deutsch, 23 (13), 15–32.

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Sarah Frahm (Universität Hamburg)

Differenzierte Lernbeobachtung als Grundlage eines individualisierten Rechtschreibunterrichts mit Hilfe computerbasierter Auswertung: Ein Forschungsvorhaben im Rahmen des Nationalen Bildungspanels (NEPS)

Damit sich Unterricht am individuellen Lernbedarf der Schüler ausrichten kann (formative assessment), sind Instrumente zur Lernbeobachtung und Kompetenzmessung erforderlich. Diese müssen den Lernstand differenziert erfassen und eine zeitnahe Rückmeldung ermöglichen. Für die Sekundarstufe I liegen derzeit nur vier differentielle Testverfahren vor (Afra, DRT, HSP, MRA). In zwei Studien wurden erstmals differentielle sprachsystematische Rechtschreibtests (SRT) auf Basis der Graphematik entwickelt, auf ihre Testeigenschaften hin untersucht und zur Erfassung der Lernentwicklung von Schülern in Klasse 5 eingesetzt. Die nach Teilkompetenzen zurückgemeldeten Ergebnisse eignen sich als Grundlage für die Erstellung differenzierter Förderpläne. Da die Auswertung dieser Tests jedoch sehr zeitintensiv ist, lassen sie sich im Unterricht noch nicht gewinnbringend einsetzen. Im Rahmen des Nationalen Bildungspanels (NEPS) wird daher erforscht, inwieweit computerisiere Auswertungs- und Eingabeverfahren genutzt werden können.

Literatur:

Eisenberg, Peter (2006): Das Wort. 3., durchgesehene Auflage. Stuttgart, Weimar: J.B. Metzler (Grundriss der deutschen Grammatik, 1).

Frahm, Sarah & Blatt, Inge (ersch.): Rechtschreibtests. In U. Bredel (Hrsg.), Weiterführender Orthographieunterricht. Baltmannweiler: Schneider Verlag Hohengehren. (Deutschunterricht in Theorie und Praxis).

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Christopher Sappok (Universität Hannover)

Kommasetzung in die Grundschule! Ein prosodietheoretisch fundiertes Unterrichtsmodell für die 4. Klasse

Wohl keinem Bereich der Rechtschreibung steht die Schreibdidaktik so hilflos gegenüber wie der Kommasetzung. Die gängige Thematisierung ist grammatisch fundiert und findet um Klassenstufe 7 statt. Als Gründe für den bemerkenswert geringen Erfolg können der späte Zeitpunkt und der Umstand angesehen werden, dass die Regeln eine nach der anderen abgearbeitet werden (Ausnahme: z.B. Lindauer & Sutter 2005). Dem gegenüber steht die Tatsache, dass ein Großteil der Kinder bereits in der 3. Klasse damit beginnt, in eigenen Texten Kommas zu setzen. Das vorgestellte Modell erlaubt es, zeitlich hier anzuknüfen, indem es auf einer Weiterentwicklung von Ergebnissen der aktuellen psycholinguistischen Prosodieforschung basiert (Sappok 2010). Der Einstieg erfolgt über die Arbeit mit speziell konstruierten, ohne Zeilenumbrüche dargebotenen Kommagedichten, um dann schrittweise zu regelkonformen Techniken überzugehen. Evaluiert wurde der Unterricht anhand von Varianzanalysen mit Messwiederholung über 8 abhängige Variablen. Die Leistungen, die nachhaltig bei Viertklässlern erreicht wurden, entsprechen etwa denen von Realschülern der 8. Klasse.

Literatur:

Lindauer, Thomas & Sutter, Elisabeth. Könige, Königreiche und Kommaregeln. Eine praxistaugliche Vereinfachung des Zugangs zur Kommasetzung. In: Praxis Deutsch, H. 191, 2005, S. 28–32.

Sappok, Christopher. Das deutsche Komma im Spiegel von Sprachdidaktik und Prosodieforschung. Forschungslage – „Parsing vs. Phrasing“ – Experimente. Diss., Hannover, 2010.

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Knut Stirnemann (Universität Zürich)

Knoblauch, Ei und Auge – Modell eines sprachübergreifenden Rechtschreibeunterrichts in der Sekundarstufe I

Im Fach Linguistisches Portal, das auf der Sekundarstufe I im Teamteaching unterrichtet wird, entdecken die Schülerinnen und Schüler spielerisch und forschend das regelhafte Funktionieren von Sprache und reflektieren kontrastiv Erfahrungen mit verschiedenen Sprachen.

So wird im Modul zur Graphem-Phonem-Korrelation nicht nur die Beziehung von Laut und Buchstabe in einer Sprache beleuchtet, sondern es werden die unterrichteten Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch (und auch andere) miteinander verglichen. Dadurch erfahren die Schülerinnen und Schüler, dass die Zuordnung von Lauten und Buchstaben auf sprachspezifischen Konventionen beruht. Gleiche Laute werden oft mit unterschiedlichen Buchstaben wiedergegeben (z.B. dt. Schiff – engl. ship), aber es werden auch gleiche Buchstaben in verschiedenen Sprachen zum Teil unterschiedlich ausgesprochen (z.B. dt. pur – fr. pur). Ausserdem wird den Lernenden dabei bewusst, dass auch innerhalb einer Sprache die Zuordnung von Lauten und Buchstaben häufig nicht eindeutig ist (z.B. Gemüse – Physiker bzw. Garage).

Solche Phänomene erkennen die Schülerinnen und Schüler in kleinen Forschungsprojekten. Sie entdecken und erkunden selbständig orthografische Konventionen verschiedener Sprachen. In ihren Untersuchungen relativieren sie die einseitige Perspektive auf die Orthografie des Deutschen, indem sie zum Beispiel experimentell einen Reiseführer für Englischsprechende verfassen, der die deutschen Laute mit englischer Rechtschreibung wiedergibt, oder sogar einen Reiseführer für Engländer in Frankreich („seel voo plei“). Auf diese Weise reflektieren die Lernenden die unterschiedlichen Konventionen der Orthografie.

Das neue Fach Linguistisches Portal, das an der Kantonsschule Zug eingeführt ist, fördert die wissenschaftliche Neugier gegenüber sprachlichen Phänomenen mit Hilfe von offenen, problem- und prozessorientierten Lernformen und macht mit Methoden und Fragestellungen wie Forschen und Dokumentieren bekannt, ist also wissenschaftspropädeutisch angelegt.

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Elin-Birgit Berndt (Universität Bremen)

Welche Aspekte der Rechtschreibung muss ein Lehrmittel berücksichtigen? In welchen Bereichen sind Lehrkräfte auf die Unterstützung durch Lehrmittel angewiesen?

Lehrmittel müssen berücksichtigen, wie Schreiben und Schrift praktiziert werden. Beschreibstoffe und Schreibgeräte wurden immer wieder durch veränderte Technologien abgelöst, Schreiben war und ist ein technisches Artefakt. Auch die Handschrift realisiert sich nur in einem technischen Medium.

Angesichts „digitaler Assistenz“ müssen Kompetenzen neu definiert werden. Bedient sich der Schreiber digitaler Medien, erweitern sich seine Möglichkeiten.

Bereits mit heute üblicher Standardsoftware wie Office-Paketen, Korrekturprogrammen oder digitalen CD-ROM- oder Online-Wörterbüchern lassen sich viele sprachdidaktisch wohlbegründete Experimente durchführen, die, je nach Akzentuierung, in unterschiedlicher Ausprägung zur Auseinandersetzung mit der Sprache bzw. der Rechtschreibung als System und den eigenen Rechtschreibleistungen führen, die Schüler/-innen aber auch mit Möglichkeiten, Grenzen und verborgenen maschinellen Mechanismen der digitalen Medien konfrontieren.

Wie Lehrmittel und Wörterbücher für die Schule die „digitale Assistenz“ bereits nutzen können, soll anhand von Beispielen aus Unterrichtsmaterialien aufgezeigt werden. Daran werden kritisch die Desiderata und der Forschungsbedarf erläutert.

Literatur:

Berndt, Elin-Birgit 2008. Die Furcht vor dem Verlust der Handschrift – oder warum die Integration der Digitalen Medien in den Deutschunterricht nicht gelingt. In: Log In. Kreativer Deutschunterricht und neue Medien. Volker Frederking / Matthis Kepser / Matthias Rath (Hrsg.) S. 35–52

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Kathrin Würth (PH Zentralschweiz)

Welches phonologische Wissen brauchen Lehrpersonen und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die LehrerInnenbildung?

Schreibweisen wie Fahrratdieb, pfeiffen, kchochen sind in Schweizer Schülertexten häufig anzutreffen und zeugen von dem feinen phonologischen und phonetischen Gespür, mit dem SchreibanfängerInnen Lautliches in Schrift umsetzen. Dieses Gespür scheint mit wachsender orthografischer Sicherheit wieder abzunehmen, wenn ein Studierender in der Primarlehrerausbildung Fahrratdieb kommentiert: „Der Schüler hört nicht, dass man Fahrratdieb mit d schreibt.“

Aus phonologischer Sicht sind alle genannten Schreibungen leicht erklärbar, es stellt sich deshalb die Frage, ob ein vertieftes phonologisches Wissen für Lehrpersonen sinnvoll ist und welches Wissen das konkret sein soll. Anhand von Daten von SchülerInnen aus der Schweiz werde ich systematisch darlegen, welche phonologischen Phänomene für die Orthografie überhaupt relevant sind. Davon ableitend soll ermittelt werden, über welches phonologische (Mindest-)Wissen Lehrpersonen verfügen müssen. Es wird sich dabei herausstellen, dass phonologisch bedingte Schreibfehler abhängig sind vom sprechsprachlichen Hintergrund der Schreibenden. Eine Typologie der für den Rechtschreibunterricht relevanten Phänomene darf diesen Hintergrund deshalb nicht ignorieren. Lindauer (2002) hat in Bezug auf die Doppelkonsonantenschreibung für einen varietätenabhängigen Rechtschreibunterricht plädiert. Meine Daten werden zeigen, dass sich dieser Weg auch in Bezug auf weitere Phänomene lohnt und dass die Frage nach dem phonologischen Wissen einer Lehrperson immer auch diesen Aspekt im Blick haben muss.

Literatur:

Lindauer, Thomas (2002). How Syllable Structure affects Spelling – a Case Study in Swiss German Syllabification. In Neef, Martin; Neijt, Anneke & Sproat, Richard (Hrsg.), The Relation of Writing to Spoken Language. Tübingen: Niemeyer, S. 193–208.

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Johanna Fay (PH Karlsruhe)

Messung von implizitem Problemlösungswissen in der Rechtschreibung

Ein wichtiges Ziel von Rechtschreibdidaktik ist, die Schreiblerner zu befähigen, in Zweifelsfällen auf Herleitungsstrategien zur Richtigschreibung zurückzugreifen. Deshalb wird ein hoher Aufwand betrieben, um das Problemlösungswissen im Rechtschreiben zu fördern (vgl. Bildungsstandards und deren Umsetzung in div. Lehrwerken). In der Rechtschreibdiagnostik besteht allerdings die Schwierigkeit, genau diese Kompetenzfacette zu messen, denn wie Schreibungen hergeleitet werden, lässt sich anhand fertiger Schreibprodukte in Rechtschreibtests kaum erkennen. Durch Befragung versucht man daher Informationen über die Strategien von Schreiblernern zu erlangen (vgl. u.a. Scheerer-Neumann 2004; Nickel 2006). Unklar bleibt, ob diese explizit formulierten Lösungswege der tatsächlichen Schreibpraxis entsprechen oder lediglich als erweitertes deklaratives Wissen zur Verfügung stehen. Im Vortrag werden daher erste Ergebnisse eines mehrstufigen Verfahrens vorgestellt, bei dem das implizite Problemlösungswissen von 3.-Klässlern erfasst wird. Sie erfordern eine Diskussion über die Strategievermittlung in der Didaktik und über neue Ansätze in der Diagnostik.

Literatur:

Fay, Johanna: Die Entwicklung der Rechtschreibkompetenz beim Textschreiben. Eine empirische Untersuchung in Klasse 1 bis 4. Frankfurt/M 2010.

Nickel, Sven: Orthographieerwerb und die Entwicklung von Sprachbewusstheit. Norderstedt 2006.

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Albert Bremerich-Vos (Universität Essen)

Orthografische Fähigkeiten am Ende der Sekundarstufe

Im Rahmen der Normierung der länderübergreifenden Bildungsstandards wurde auch die Rechtschreibkompetenz von Schülerinnen und Schülern am Ende der Sekundarstufe erhoben. Es gab ein Lückendiktat (80 Wörter), einen unkommatierten Text, in den Kommata einzutragen waren, und eine Korrekturaufgabe, in deren Rahmen ein Textentwurf zu korrigieren war. Die Schreibungen wurden auf der Basis einer modifizierten Version von AFRA (Herné/Naumann) qualitativ untersucht. Im Rahmen einer IRT-Skalierung wurde ein Modell mit fünf „Stufen“ bzw. Niveaus konstruiert. Als besonders schwierig erweisen sich bestimmte Fälle von Groß-/Klein- und Getrennt-/Zusammenschreibung. Auch die Kommaschreibung ist, wie seit Langem bekannt, für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Vor allem Versionen des paarigen Kommas und der Kommatierung vor Infinitivgruppen werden nicht beherrscht. Obwohl die querschnittliche Anlage der Testung die Prüfung von Kausalhypothesen nicht erlaubt, kann man annehmen, dass z.B. die mit der Reform der Orthografiereform revidierten Regeln der Kommatierung bei satzwertigen Infinitiven in den Schulen nicht „angekommen“ ist.

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